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Um dieser Naturkraft wirksam entgegenzutreten, läßt unsere
Staatsregierung seit 1867 an wüsten Stellen, wo sich von selbst
keine Pflanzen einfinden wollen, Sandroggen und Sandhafer pflanzen,
und außerdem au der Westseite von Sylt große Stein- und Pfahl¬
buhnen erbauen, um die längs der Küste streichende Strömung ab¬
zuwehren.
3. Grausig ist es auf den Dünen, wenn das Meer bei Nord¬
weststürmen die langgestreckten, breiten und bäumenden Wogen gegen
die beweglichen Abhänge der Dünenhügel schleudert, so daß Wasser,
Luft und Erde sich zu einem wüsten Gewirr vermischen und jeden
andern Laut in dem furchtbaren Getöse ersticken. Feierlich dagegen
ist es hier an freundlichen Sommer- und Herbsttagen. Die Bade¬
gäste, die die Seebäder von Sylt, Föhr, Amrum und St. Peter be¬
suchen, besteigen gern den Kamm der Düne, um zu sehen, wie bei
völliger Windstille die heranrauschende Flut in regelmäßigen Wieder¬
holungen an den Strand schlägt. Einen herrlichen Anblick gewährt
an solchen Tagen der Untergang der Sonne. Dunkelrot neigt sich
ihre stark vergrößerte Scheibe dem Horizonte zu und taucht ins
Meer hinab.
„Goldne Abendsonne,
wie bist dn so schön!
Nie kann ohne Wonne
deinen Glanz ich sehn/'
Nach H. v. Osten.
7. Der Schlickläufer.
Wenn die Nordsee ihren niedrigsten Stand erreicht hat, so ist
an der Westküste von Schleswig ein meilenbreiter Streifen vom
Meeresgrund blossgelegt, der das Watt genannt wird. In der Nähe
des Festlandes ist dieser Meeresgrund mit grauem Schlick bedeckt,
der sich aus dem Meere abgesetzt hat. Durch das Watt ziehen sich
viele Wasserströme, die Wattströme oder Prielen genannt werden.
Einige unter ihnen sind von so geringer Breite und Tiefe, dass
man sie überschreiten und von einer Insel zur andern oder nach
dem Festlande wandern kann. Das Wort „Watt" ist von „waten"
abgeleitet und bedeutet eine Tiefe, die man durchwaten kann. Aber
das Wandern auf dem Schlickgrunde zur Zeit der Ebbe ist nicht
ohne Gefahr. Die Flut kehrt oft mit unglaublicher Schnelligkeit
zurück und führt den Nebel als Bundesgenossen mit sich. „Der
Schlickläufer sieht das heimische Gestade vor seinen Blicken ver-