Der deutsch-französ. Krieg 1870,71. §92. Die Wiederherstellung d. deutsch. Reiches rc. 421
und wie sehr fröhlich ist er über deiner Hilfe! — — — Du überschüttest
ihn mit gutem Segen, du setzest eine goldene Krone auf fein Haupt." Er
wies auf das gotteslästerliche Wort Ludwigs XIV., welches in goldenen Buch¬
staben an der Decke des Saales funkelte: „Der König regiert kraft seiner
selbst", zeigte, wie dieses Wort und der Hochmut der Herrscher Frankreichs
zu Schanden geworden, wie Gott die bösen Anschläge der Feinde Deutschlands
vereitelt und.zum Heile des Vaterlandes gelenkt habe, und schloß mit den
Worten: „Was unsere Väter in der Erhebung früherer gewaltiger Kriege
gegen denselben Feind vergebens ersehnt haben, wofür die Jugend in edler
Begeisterung geschwärmt, was die Sänger jener Tage in hellen Tönen ge¬
sungen, was die Lieder und Sagen unseres Volkes nur als einen fernen
Traum uns verkündet haben, — wir sehen es heute zur Wirklichkeit ge¬
worden. Der Herr segne das Reich, seine Fürsten und Stämme, er befestige
sie in dem Bande der Eintracht und Treue." —
Als mit dem Choralgesang und dem Segen dieser Teil der Feier ge¬
schlossen war, schritt der König mit den Prinzen und den deutschen Fürsten,
die Hofmarschälle voraus, zur Erhöhung, die für diesen Zweck errichtet war.
Nahe bei dem Kronprinzen stehend, las der König dann, den Helm
in der Linken, das Papier in der Rechten haltend, die Erklärung, daß er
die ihm von Fürsten uud Volk angebotene deutsche Kaiserwürde annähme,
mit laut erklingender, fester Stimme bis zum Schlüsse, wo er den Bundes¬
kanzler aufforderte, seine heute an das deutsche Volk erlassene Proklamation
zu verlesen. Graf Bismarck faßte das inhaltsschwere Schriftstück und las,
gegen den König und den Kronprinzen gewendet, lebendig und ausdrucksvoll
bei lautloser Stille der Versammlung diese Botschaft „des Friedens und der
Freiheit" vor.
Sie hat folgenden Wortlaut:
„Nachdem die deutschen Fürsten und freien Städte den einmütigen Ruf
an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des deutschen Reiches die seit mehr
denn 60 Jahren ruhende Kaiserwürde zu erneuern und zu übernehmen, und
nachdem in der Verfassung des deutschen Bundes die entsprechenden Be¬
stimmungen vorgesehen sind, bekunden Wir hiermit, daß Wir es als Pflicht
gegen das gesamte Vaterland betrachten, diesem Rufe der verbündeten deutschen
Fürsten und freien Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde an¬
zunehmen. Demgemäß werden Wir und Unsere Nachfolger mit der Krone
Preußens fortan den Kaisertitel in allen Unseren Beziehungen und Angelegen¬
heiten des deutschen Reiches führen und hoffen zu Gott, daß es der deutschen
Nation gegeben fein werde, unter diesem Wahrzeichen ihrer Herrlichkeit das
Vaterland einer segensreichen Zukunft entgegenzuführen. Wir übernehmen
die kaiserliche Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die
Rechte des Reiches und feiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren,
die Unabhängigkeit Deutschlands zu schützen und die Kraft des Volkes zu
stärken. Wir nehmen sie an in der Hoffnung, daß es dem deutschen Volke
vergönnt sein werde, den Lohn seiner heißen und opferwilligen Kämpfe in
einem dauernden Frieden und innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem
Vaterlande die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherheit gegen erneute Angriffe
Frankreichs gewähren werden. Uns aber und Unsern Nachfolgern in der