Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

32. Tassilo's Sturz. Unterwerfung der Awaren. 141 
den von den Herzögen von Istrien und Friaul unter dem Könige Pi- 
pin geführt, über die jütischen Alpen Vordringen, und der Heerbann der 
Sachsen und Friesen unter fränkischen Grafen von Nordwesten her 
durch das Land der slavischen Böhmen auf dem linken Ufer der Donau 
das fränkische Heer begleiten. An dem alten Grenzstrom Enns schlug 
der König sein erstes Lager auf, und brach dann, nach Erstehung des 
göttlichen Beistandes zu diesem Kampfe, in das feindliche Gebiet ein. 
Die Verschanzungen und Verhaue der Awaren wurden durchbrochen, 
die Awaren überall vertrieben, und mit Feuer und Schwert das Land 
verwüstend, drang Karl siegreich bis zum Flusse Raab vor, wo er eine 
Zeit lang im Lager stehen blieb. Bei der Gelegenheit des awarischen 
Krieges war es nun, daß er den großartigen Gedanken faßte, den Rhein 
mit der Donau und so das deutsche Meer mit dem schwarzen Meere 
in Verbindung zu setzen. Denn im Sommer des Jahres 793 unter¬ 
nahm er es, die beiden Flüsse Rezat, die weiter abwärts unter dem 
Namen der Rednitz znm Main geht, und Altmühl, die zur Donau 
geht, durch einen großen Kanal zu verbinden, dessen Spuren bei 2000 
Schritt Länge und 300 Fuß Breite noch jetzt bei Weißenburg in der 
Landschaft Eichstädt erkennbar sind. Sicher standen dabei dem fränki¬ 
schen Könige die großartigen Römer-Bauwerke vor Augen, die er überall 
in seinen Gebieten antraf, und wenn dies Werk aus Mangel an genü¬ 
gender Kenntniß in der Wasserbaukunst und bei Karl's anderweitigen 
Beschäftigungen auch unvollendet liegen blieb, so bleibt ihm doch der 
Ruhm, seiner Zeit um fast ein Jahrtausend mit seinem kühnen Geiste 
vorausgeeilt zu sein. 
Erst im Jahre 794 konnte der Krieg gegen die Awaren mit grö¬ 
ßerem Nachdruck fortgesetzt werden. Doch zog Karl nicht selbst aus, 
sondern überließ die Führung desselben seinen Feldherren und seinem 
Sohne, dem italischen Könige Pipin, da mancherlei Verhältnisse, beson¬ 
ders die sächsischen Angelegenheiten, seine Gegenwart in Deutschland 
nothwendig machten. Zwar führten jene den Kampf nicht unglücklich, 
aber weil die Macht des Reiches vielfach vertheilt werden mußte, zog 
sich der Krieg in die Länge und an acht Feldzüge waren erforderlich, ehe 
die Franken sich der Beendigung dieses Kampfes rühmen konnten. Es 
wurde aber hart gestritten, denn nach Einhard's Aussage war dies der 
blutigste von allen Kriegen Karl's, wie auch die Verheerung Pannoniens 
beweisen sollte. Auch die Franken erlitten wohl nicht unbedeutenden 
Verlust, aber sie waren in der Kriegskunst den Awaren bei Weitem 
überlegen, und Uneinigkeit unter den letzteren brachte ihnen zuletzt das 
Verderben. 
Im Jahre 796 erfolgte ein neuer großer Angriff auf die Awaren, 
durch die vereinten Schaaren der Longobarden und der Bajoaren nebst 
Franken und Alemannen. Sie drangen tief in das heutige Ungarn 
ein, überschritten nach Besiegung der Awaren die Donau, und erstürm¬ 
ten dort, zwischen der Donau und der Theiß, das große, durch aus¬ 
gedehnte Verhaue befestigte Feldlager des Chagan, der Ring, wegen
	        
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