Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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Zweiter Zeitraum des Mittelalters: 752—1096. 
geschehen, wissen wir nicht; jedenfalls ist wiederum das Streben nach 
Centralisation unverkennbar. Während seiner kurzen Regierung (860 
bis 866) erfahren wir nicht, daß er jemals selbst in das Feld rückte. 
Auch was sich sonst unter ihm ereignete, ist nur von geringem Belang. 
Nach ihm bestieg A et h e lr ed, der dritte Bruder, gemäß der früher 
festgesetzten Erbfolgeordnung, den Thron (reg. 866—871). Wie sein 
Vorgänger, ließ er die Verbindung von Kent und Sussep mit dem 
Kronlande fortbestehen, obwohl dort nach dem ehemals beobachteten 
Brauche Aelfred Hütte herrschen sollen. Allein die Zcitumstäudc forder¬ 
ten gebieterisch, daß man von der alten Ordnung abwich; die süd¬ 
östlichen Küsten der Insel waren am wenigsten vor einem unvermutheten 
Anfalle der Feinde sicher, nur gemeinsames Beisammenstehen aller Theile 
des Reiches unter einer Oberleitung versprach erfolgreiche Verthcidigung. 
So blieb das Reich ungethcilt und erlebte den seltenen, wenn nicht ein¬ 
zigen Fall, daß vier Brüder nach einander auf demselben Throne 
folgten. 
57. Äelfted der Große. 
(Nach Z. M. Lappenberg, Geschichte von England, zum Theil bearbeitet vom 
Herausgeber.) 
Mag auch die überschwellende Verehrung früherer und die Wort¬ 
seligkeit späterer Zeiten manches Lob auf Aelfred gehäuft haben, welches 
die Kritik wieder vernichten muß, indem sie die Keime mancher ihm zu¬ 
geschriebenen Einrichtung schon früher bei seinem Volke und dessen 
Stammgenossen nachweis't, so erblickt doch das klare Auge unbefangener 
Kritik in Aelfred den Spiegel der Könige und den Helden der euro¬ 
päischen Gesittung. 
Die Kindheit und Jugend Aelfred's bieten ein wunderbares Vor¬ 
spiel dar zu dem ernsten Drama seiner männlichen Jahre. Dem Herr¬ 
scher Britanniens, welchen bereits drei kraftvolle Söhne umgeben, wird 
im Jahre 848 von der treuen Osburge ein Knäblein geboren, welches 
durch Schönheit und Lieblichkeit, wie später durch Geist und Kräfte 
alle Neigung der Eltern auf sich bannet. In den Tagen, als das Reich 
auf allen Seiten von den stets neu anwachscuden gefährlichsten Feinden 
angegriffen wird, und jene Söhne, zum Theil schon im Mannesalter, 
eine unschätzbare Gewähr für die Erhaltung des Reiches scheinen, wird 
von den Alten der Plan ersonnen und gepflegt, mit Verletzung der 
Reichsgesetze, mit Gefährdung des Daseins ihrer Staaten, dem theuren 
Letztgcborncn die Herrlichkeit und die Macht der Krone zu übertragen. 
Für die Erreichung solchen Wunsches ist kein Mittel bedenklich, kein 
Pfad gefahrvoll. Das fünfjährige Königskind wird auf dem gebrech¬ 
lichen sächsischen Kiele den Meereswogen anvertraut, durch die Länder 
unzuverlässiger Freunde gebracht, über die Firsten und Eisfelder der
	        
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