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Zweiter Zeitraum des Mittelalters: 752—1096.
thätigkeit zugewandt und von der ewig unruhigen Welle des Meeres
zur Thätigkeit auf dem Markte des Handels und Weltverkehres ange¬
reizt, aus diesem sich gern bewegt und an Cataloniens Küsten frühzeitig
Schifffahrt und Seehandcl sich regen, bildet sich in der Einsamkeit der
Berge und Thäler Aragouiens, im langen Kampfe mit den Mauren
und fast allein durch diesen mit den Grenzländern verkehrend, ein Volks¬
stamm, der, dem feineren Genüsse und Schmuck des Lebens fremd, in
stolze Unabhängigkeit nach außen und innen seinen Adel setzte, entwickelte
sich eine Verfassung, die durch die seltsame Vertheilung und Stellung
und die noch seltsamere Ueberwachung und Begrenzung der Staatsge¬
walt einsam dasteht in der Halbinsel, wie im ganzen Mittelalter. Es
ist schon oben (S. 285) erwähnt worden, lvie der erste König von Na¬
varra, Sancho Garcias, die Grafschaft Aragon mit seinem Reiche ver¬
einigte, und wie sie durch die Theilung Navarra's unter die 3 Söhne
Sancho Mayor's (1035) ein besonderes Reich wurde.
Seitdem Aragon, so gering sein Umfang noch war, ein Reich für
sich bildete und Ramiro nach des Vaters Hinscheidcn den Königstitel
annahm, führte es Kriege mit den Moslemen zur Erweiterung des
christlichen Gebietes. Wenn jene Kämpfe nicht von dem erwarteten Er¬
folg gekrönt wurden, so lag der Grund davon meist in der kräftigen Persön¬
lichkeit der Wali's von Zaragoza und später in dem frischen Aufschwung, den
die Morabethen und ihre neue Herrschaft der moslemischen Sache gaben.
Diese Kämpfe unterbrach ein Ereigniß, das dem Könige von Ara-
gonieu eine schnellere Erwerbung größerer Besitzungen versprach, als
der hartnäckige Krieg mit den Ungläubigen. König Sancho von Na¬
varra wurde von seinem herrschbcgierigen Bruder Ramón ermordet (1076).
Da Sancho's zwei Söhne noch unmündig waren und der Brudermör¬
der die über seine That empörten Unterthanen zu den seinen zu machen
nicht vermochte, so konmen die Könige von Aragon und Castilien, San-
cho's Vettern, das hauptlose, vcrwirrungsvolle Reich um so leichter be¬
setzen. Schon im Juli desselben Jahres hielt Sancho Ramirez, König
von Aragon, seinen Einzug in Pamplona. Seitdem blieb Navarra bis
zum Ebro mit Aragonien vereinigt (bis cs 1134 durch den König
Garcia Ramirez von diesem Reiche wieder getrennt wurde) und ver¬
mehrte nun die Hülfskräfte Sancho's, der, sobald er sich des neu er¬
worbenen Staates versichert hatte, gegen die Mauren sich wandte. Er
führte seine Schaarcn gegen Huesca, schlug in dessen Nähe ein starkes
moslemisches Heer in die Flucht und schritt sofort zur Belagerung die¬
ser Stadt, in welche sich die Fliehenden mit dem Emir von Zaragoza
gerettet hatten. Während der Belagerung wurde der König durch einen
Pfeil von feindlicher Hand tödtlich verwundet (1094). Sterbend empfahl
er dem Thronfolger, die Belagerung fortzusetzen. Die Erwerbung
Huesca's wurde nun Pedro's Lebens- und Herrscheraufgabe, eine
Pflicht der Pietät. Auf diese Stadt, das Bollwerk der moslemischen
Macht im östlichen Spanien, waren die Blicke, bald die gewaltigsten
Anstrengungen der Christen und der Moslemen gerichtet. Selbst christ¬