Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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Dritter Zeitraum des Mittelalters: 1096—1273. 
steuern nach dem Abendlande reifte, Reliquien veräußerte und Häuser 
niederreißen ließ, um Brennholz zu erlangen. Von allen Reichen, die 
im Mittelalter aus der Gewalt des Waffenthums hervorgingen und 
sich nach dem Lehnswesen einrichteten, war dies das abenteuerlichste und 
darum ließ dasselbe auch keine Spuren im Volksthum zurück. Dagegen 
hatte das griechische Kaiserthum von Nicäa unter dem zweiten seiner 
Kaiser, Vatatzes (1222 — 1255), ein besseres Gedeihen, und von die¬ 
sem und dem Despoten von Epirus, Theodor, ward ein großer Theil 
Thraciens und Macedoniens wieder erobert; der vierte nicäische Kaiser 
Michael Pa läo log ns (1254), kam durch Ueberrumpelung, 25. Juli 
1261, in den Besitz der europäischen Hauptstadt, und damit begann der 
letzte Act des griechischen Kaiserreiches, von welchem in der Folge zu 
berichten sein wird. 
95. Die Mongolen. 
(Nach Gustav Adolf Stenzcl, Geschichte des preußischen Staates, mit einer 
Einleitung nach Karl Friedr. Koeppen, die lamaische Hierarchie und Kirche.) 
Die weitgreifendste und eben deßhalb folgenreichste Eroberung, deren 
die Weltgeschichte gedenkt, ist von den Mongolen ausgegangen, welche 
sich für das anserwählte Volk Gottes und für bestimmt hielten, die 
(alte) Welt zu erobern und zu beherrschen. Der furchtbare Tschingis- 
Khan hat diesen Glauben in entsetzliche Wahrheit verwandelt, indem er 
ein Reich gründete, welches zur Zeit seiner weitesten Ausdehnung, wahr¬ 
scheinlich mehr als die Hälfte des gesammten Menschengeschlechtes umfaßte. 
Die Mongolen haben in ihren endlosen Kriegen und Verheerungs¬ 
zügen, deren Schilderung uns noch jetzt mit Grausen erfüllt, die Mensch¬ 
heit, welche sie vertilgen zu wollen schienen, in einem Umfange und 
Grade aufgeregt, durch einander geworfen und zusammen gebracht, wie 
kein anderer Weltstürmer vor oder nach ihnen. Indem sie ihre Raub¬ 
züge von Japan bis zur Katzbach und von Hinterindien bis zum Jlmensee 
ausdehnen, sind sie irgendwie mit allen Nationen der alten Welt in 
Berührung oder doch in Beziehung gekommen. Japanesen, Chinesen, 
Siamesen, Birmanen, Malayen, Tibetaner, Hindu, Perser, Türken, Ar¬ 
menier, Syrer, Tscherkessen, Araber, Aegypter, Griechen, Russen, Polen, 
Böhmen, Ungarn, Deutsche u. s. w., sie alle haben gegen die dämoni¬ 
schen Wcltbezwinger gestritten und mit ihnen verhandelt, sie alle waren 
andererseits in dem großen Mongolcnreiche vertreten, sei es als Völker 
oder massenweise, sei es in einzelnen Individuen. Dadurch knüpften 
sich Beziehungen an, die vom stillen bis zum atlantischen Ocean und 
von den indischen Meeren bis zur Ostsee reichten. Am Hoslager der 
Großkhane begegnen wir Botschaftern der Päpste und Khalifen, der by¬ 
zantinischen Kaiser und der französischen Könige, der Sultane von Rum 
und des Alten vom Berge, russischen Großfürsten, georgischen Prinzen,
	        
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