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Vierter Zeitraum des Mittelalters: 12<3- -1492.
chenvereinigung), Venedig und Neapel bewilligten, kamen erst nach der
Einnahme der Stadt an.
Mit Beginn des Frühjahres 1453 ließ Mohammed seine Truppen
(258,000 Mann) und seine (420) Schiffe gegen Coustantinopel vor¬
rücken. Mit unsäglicher Mühe wurden die großen Belagerungsmaschi-
ncn und das schwere Geschütz zur Stelle geschafft, darunter eine riesen¬
hafte Kanone, welche aus einer Mündung von 12 Spannen Stcin-
massen von mehr als tOOO Pfund schleuderte, von 50 Paar Ochsen
gezogen und von 200 Leuten begleitet wurde, um sie im Gleichgewichte
zu erhalten. Das türkische Lager dehnte sich im Halbkreise von einem
Meere zum anderen aus; die Seemacht schaffte Anfangs wenig Nutzen,
weil sie nicht in den Hafen gelangen konnte, dessen Eingang Constantin
mit einer starken Kette versperrt hatte; doch schaffte man einen Theil
der Schiffe über das Land (wahrscheinlich auf einer Bahn von starken
Balken) nach dem Hafen. Die Belagerung hatte bereits 40 Tage ge¬
dauert, als sich im Lager der Osmanen plötzlich das falsche Gerücht
verbreitete, cs sei aus Italien eine Flotte und aus Ungarn ein Heer,
unter Johann Hunyades, zum Entsätze der Stadt im Anzuge. Daher
bot der Sultan dem Kaiser freien Abzug mit seinem Hofstaate an; das
Volk könne bleiben und werde von Seiten der Osmanen keine Unbill
zu erdulden haben. Der Kaiser verweigerte die Uebergabe der Stadl,
erbot sich aber zur Zahlung eines Tributes; jedoch vergebens.
Kaiser Constantin leuchtete Allen, denen der Muth gebrach, als Bei¬
spiel von Charakterstärke und edler Resignation vor. Noch am Abend
vor dem Sturme (28. Mai) versammelte er seinen Hofstaat, die Gro¬
ßen seines untergehenden Reiches, die Befehlshaber der Truppen, das
Volk, so weil es nicht zur Bewachung der Mauern gebraucht wurde,
um sich, sprach ihnen Muth zu und verhieß ihnen den Beistand des
Himmels als den schönsten Lohn der Tapferkeit und Ausdauer in die¬
sem Kampfe um das Dasein des Reiches, der Hauptstadt und der Ih¬
rigen. Seine Worte machten einen unbeschreiblichen Eindruck. Wie neu
gestärkt, gelobten Alle, tapfer auszuhalten; man trennte sich unter Thrä-
nen, und Jeder eilte nach seinem Posten zurück. Der Kaiser begab sich
nach der Sophienkirche, empfing hier mit seinem Gefolge das Abend¬
mahl und nahm von allen, die gegenwärtig waren, förmlich Abschied.
Noch war der Tag nicht angebrochen, als der Sturm begann. Die
erste Linie der Osmanen, die schwächsten Truppen des ganzen Heeres,
welche Mohammed absichtlich vorausgeschickt hatte, wurde sogleich zurück¬
geworfen; haufenweise stürzten die Osmanen von den zum Theil schon
erklommenen Mauern herab, ihre Belagerungsmaschinen wurden zertrüm¬
mert und der erste Sieg blieb an diesem verhängnißoollen Tage noch
in den Händen der Griechen. Aber unverzüglich ziehen neue Haufen
heran, das ganze Lager, von einem Meere zum anderen, wälzte sich,
wie auf ein gegebenes Zeichen, auf einmal gegen die Mauer, und der
Sturm wird auf allen Seiten zugleich unter furchtbarem Schlachtgeschrei
erneuert. Zwei volle Stunden halten die Belagerten in diesem Kampfe