212
35. Die unüberwindliche Flotte.
35. Die unüberwindliche Flotte.
(Nach N. G. v. Kämpen, Geschichte der Niederlande, und Friedr. v. Raumer,
Geschichte Enropa's seit dem Ende des 15. Jahrhunderts.)
Schon seit der Eroberung Portugals (1580) hatte Philipp II., dessen
Seemacht dabei wenigstens verdoppelt wurde, an eine Rüstung gegen
England, damals das Hauptbollwerk des Protestantismus, gedacht. Im
Jahre 1582 erschien eine Denkschrift über Spaniens große Kriegsmacht
und über die Frage, ob sie nicht zur Demüthigung Englands benutzt
werden solle. Sie wurde bejahend beantwortet, theils wegen der größeren
Leichtigkeit, England als die mit Festungen besäetcn Niederlande zu be¬
zwingen, theils wegen der richtigen Politik, dem Feinde seinen immer¬
währenden Rückhalt zu entziehen. Der Herzog von Alba, der Portugal
für Philipp erobert hatte, bot sich zum Befehlshaber an; doch er starb
schon im nämlichen Jahre. Einen triftigen Vorwand zum Kriege gaben
dem Könige die Unternehmungen der englischen Freibeuter Franz Drake
und Cavendish, von denen der erstere nicht nur die Verbindung
zwischen den wichtigsten Puncten an den spanischen und niederländischen
Küsten störte, sondern auch die Besitzungen der Spanier in Westindien
angriff und im April 1587 in den Hafen von Cadix eindrang, wo er
eine Anzahl Kauffahrteischiffe in den Grund bohrte oder verbrannte.
Dazu kam noch die den Niederländern von England geleistete Hülfe,
die Uebernahme der Statthalterschaft von Leicester und der Tod der
Maria Stuart. In Frankreich hatte Philipp an der heiligen Ligue
eine mächtige Bundesgeuossin gewonnen, die ihm zu der Unternehmung
sehr behülflich sein konnte. In Flandern waren die wichtigen Häfen
von Dünkirchen, von Antwerpen und zuletzt auch von Sluis in seiner
Gewalt, von wo aus man der Flotte großen Vorschub thun konnte. Papst
Sixtus V. schloß 1587 mit Philipp II. einen Bund, wobei England
der spanischen Krone als ein römisches Lehen ausgetragen wurde. Mit
den Vorbereitungen vcrstossen indeß drei Jahre; erst mit dem Frühlinge
1588 wurde die Mannschaft, zusammen 20,000 Mann auserlesener
Truppen und 10,000 Seeleute, aus 90 größeren und 40 kleineren Kriegs¬
schiffen ciugeschifft; die Flotte führte 26OO Stück Geschütz und Lebens¬
mittel für sechs Monate.
Zugleich wurden in den spanischen Niederlanden die wichtigsten
Vorbereitungen gemacht. Parma sollte sich mit auserlesenen, in den
niederländischen Feldzügen erprobten Kriegern als Kern des Heeres
in den Häfen von Newport und Dünkirchen einschiffen (denn Ostende
war noch in den Händen der Insurgenten) und sich mit der Flotte ver¬
einigen, um in England zu landen. Das ganze Heer, wozu man Sol¬
daten aus Spanien, Italien, Deutschland und der Freigrafschaft Burgund
geworben hatte, betrug 40,000 Mann zu Fuß und 3000 Reiter. Parma's
Vorschlag, sich zuerst eines Hafens in Seeland oder in Holland zu bemäch¬
tigen, damit man einen Zufluchtsort bei Unfällen hätte, ward nicht beachtet.