Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

35. Die unüberwindliche Flotte. 
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Denn der König, durch den Tod der Maria Stuart auf's höchste er¬ 
grimmt, wollte von keinem Aufschub wissen, und der Zustand Frankreichs, 
wo die Ligue jetzt in offenem Aufstande gegen Heinrich III. begriffen 
war, schien ihm auch von dieser Seite einen ungestörten Einfall in das 
Reich der verhaßten Feindin zu verbürgen. 
Elisabeth erkannte die Größe der sie und England bedrohenden Ge¬ 
fahr. In kühnen Heldenliedern sprach sie ihr Gefühl und den Vorsatz 
aus, lieber mit dem Schwerte in der Hand zu sterben, als Schmach 
zu erleiden; sie ließ in einer Schrift ihr Volk umständlich belehren, 
daß Philipp's Plan dahin gehe, England in niedrige Sclaverei zu stürzen, 
und Katholiken wie Protestanten beschlossen hierauf gleichmäßig, für die 
Freiheit ihres Vaterlandes Alles zu wagen. So wie die Hoffnung 
der Spanier auf Parteiungen unter den Engländern fehlschlug, so auch 
die auf französischen und schottischen Beistand. Heinrich III. war eifer¬ 
süchtig auf die spanische Macht, lehnte unter allerhand Vorwänden 
jede Mitwirkung ab und konnte sich in der That der einheimischen Feinde 
nicht erwehren. Jakob VI. zürnte zwar Anfangs sehr über die Hin¬ 
richtung seiner Mutter, allein es fehlte ihm an Macht, Krieg zu er¬ 
heben, und die Schotten theilten keineswegs seinen Schmerz. 
In England betrieb man die Rüstungen mit größter Umsicht und 
Thätigkeit. Rath und Bürgerschaft von London erklärten sich bereit, 
an Schiffen und Mannschaft das Doppelte dessen zu stellen, was man 
ihnen zugemuthet hatte; und dieselbe Begeisterung ergriff alle Ein¬ 
wohner des ganzen Reiches. Ehe man es für möglich hielt, waren 
200 Schiffe mit 15,700 Matrosen ausgerüstet; Lord Howard, John 
Hawkins, Forbishcr und Franz Drake, Männer, durch Muth, Sach- 
kenntniß und Thätigkeit gleich ausgezeichnet, verdienten und erhielten 
den Oberbefehl. An allen Küsten wurden Vorkehrungen für den Fall 
einer Landung getroffen und gemessene Befehle ertheilt, wie man die 
Wege verderben, Lebensmittel hinwegbringen, Mannschaft in allen in¬ 
neren Gegenden sammeln und bereit halten solle, nach jeder Richtung 
hin wirksam zu werden. In jeder Grafschaft leitete ein ausgezeichneter 
Mann alles, was auf Krieg und Landwehr Bezug hatte. Es standen 
76,000 Fußgänger und 3000 Reiter (für jene Zeit eine unglaublich 
große Zahl) völlig gerüstet in Reih und Gliedern; und Jeder wußte, 
wo und wie er für den Augenblick der Gefahr als Landwehrmann 
thätig sein solle. 
Elisabeth begab sich in das Lager nach Tilbury. Aus edlem Streit¬ 
rosse, in glänzendem Harnisch, ritt sie unter dem Zujauchzen Aller 
durch die Reihen und sprach zu den Versammelten: „Mein geliebtes 
Volk! Zwar haben mich Etliche, die für meine Sicherheit Sorge tragen, 
aus Furcht vor Verrath gewarnt, mich unter eine bewaffnete Menge 
zu begeben; aber ich versichere Euch, ich mag nicht leben, wenn ich 
meinem treuen und geliebten Volke mißtrauen soll. Deßhalb finde ich 
mich unter Euch ein, entschlossen, in Kampf und Schlacht mit Euch zu 
leben und zu sterben, und für Gott, mein Reich und mein Volk Krone
	        
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