Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

46. Verfall Spaniens unter Philipp III. und Philipp IV. 291 
Länder, so groß, so schön und von der Natur so begünstigt, wie Spanien, 
Belgien, Neapel, Sicilien, Mailand und die unermeßlichen Colonieen, 
sich leicht erholen und zu Macht und Reichthum neu emporsteigen wür¬ 
den. Spaniens Geschichte gibt aber fast mehr als irgend eine den 
Beweis, daß alles, was die Natur darbietet, bedeutungslos wird, wenn 
der Lebensquell einer wohlgesinnten und thätigen Regierung fehlt. . Es 
lag an dem Könige und dem Minister, daß sie nicht sehen und hören 
wollten, denn von echten Freunden des Vaterlandes wurden ihnen- die 
Leiden Spaniens und deren Gründe deutlich und nachdrücklich genug 
vorgehalten. 
Ganz Spanien hoffte auf eine neue glücklichere Zeit, als Philipp III. 
(31. März 1621) starb und Philipp IV. (reg. 1621—1665) den 
Herzog von Uzeda, den Sohn und Nachfolger Lerma's, nebst seinem 
Anhänge entfernte. Die scheinbare Thätigkeit des jungen Königs ver¬ 
lor sich aber bald und ging in völlige Gleichgültigkeit gegen alle Ge¬ 
schäfte über. Es ist besser, pflegte er in oberflächlichem Scherze zu 
sagen, wenn meine Minister irren, als wenn ich irre. Er legte die 
ganze Regierung in die Hand seines Günstlings, des Gaspar Gusman, 
Grafen von Olivarez. Wenn ein königliches Aeußere oder die Kühn¬ 
heit des Benehmens, welche unumschränkte Minister so gern annchmen, 
für Größe des Charakters, wenn gewisse kleine Künste der Politik für 
Staatsweisheit gelten und den Mangel tiefer Einsicht und Geschäfts- 
kcnntniß ersetzen könnten, so wäre Olivarez ein wahrer König und der 
Erretter Spaniens gewesen. Daß er während seiner 22jährigen Re¬ 
gierung (1623—1644) die Kriege weder glücklich führen konnte, noch 
beendigen wollte, ist der erste große Vorwurf, der ihm gemacht werden 
muß; und wie diese Verhältnisse zu den feindlichen Staaten auf Spanien 
selbst zurückwirkten, darüber sind nur zu viele jammervolle Zeugnisse 
vorhanden. Alle früheren Klagen und Beschwerden über Steuern, kost¬ 
spielige Verwaltung, unnütze Beamten, Müßiggang der Vornehmen, Ent¬ 
völkerung des Landes, schädliche Monopole, Verfall des Handels, theure 
Anleihen, übermäßige Schulden, unerträgliche Münzverwirrungen, Aus¬ 
dehnung geistlicher Gerichtsbarkeit und Steuerfreiheit wiederholen sich. 
Olivarez lebte der Ueberzeugung: Spaniens Schwäche entstehe nicht 
sowohl aus all den bezeichneten Gründen, als daher, weil die einzelnen 
Landschaften verschiedene Einrichtungen und Vorrechte hätten. Diese zu 
zerstören und alle Theile des Reiches durchaus gleichen Gesetzen und 
Pflichten zu unterwerfen, sei das würdigste Ziel eines ersten Ministers, 
Daß er hierbei nicht mit geschickter Hand verfuhr, beweisen zwei Er¬ 
eignisse: Der Aufstand in Catalonien und der Abfall Portugals. 
Schon in der Jahren 1623, 1626, 1632 und 1634 hatten die 
Catalonier ungewöhnliche Forderungen an Geld und Mannschaft, so 
wie den Plan einer genauen Vereinigung aller spanischen Landschaften 
abgelehnt. Als nun während der spätern Jahre immer mehr Soldaten 
in die Landschaft gelegt und 1638 von allen eingehenden Waaren eine 
neue Abgabe gefordert wurde, stiegen die Klagen über Verletzung der 
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