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67. Der nordische Krieg.
die Nachricht von einer Conföderation in Warschau, die seine Absetzung
ausgesprochen hatte, 30 verkleidete Osficiere nach Schlesien, um auf
kaiserlichem Gebiet den Prinzen Jakob Sobiesky aufzuheben, und die
adeligen Herren des sächsischen Heeres, die wegen ihrer bei Saufgelagen
oder beim Spiel verletzten Ehre jeden Augenblick den Degen zogen,
fanden es keineswegs schimpflich, daß sie verkleidet wie Mörder im
Walde versteckt lagen, bis die Sobiesky's, Jakob und Constautin, von
Breslau nach Ohlau fuhren. Sie überfielen die Prinzen, und diese
wurden erst auf die Pleißenburg bei Leipzig, dann auf den Königstein
gebracht. Karl schlug nun den Woiwoden von Posen, Stanislaus
Lesczinsky, der sich ihm sehr gefällig gemacht hatte, zum Könige vor.
Stanislaus hatte weder Anhang noch großes Vermögen, aber Karl's
Eigensinn blieb unüberwindlich; er setzte mit Gewalt und mit Spen¬
dung starker Getränke durch, daß Stanislaus gewählt ward (Juli 1704).
Nach der Wahl des neuen Königs, der sich nur durch die Schweden
behaupten konnte, ging Karl nach Gallizien und eroberte Lemberg,
während August den Plan machte, Warschau zu überfallen. Als August
erschien, flüchtete Stanislaus zu Karl nach Lemberg; aber Peter, nicht
König August, erntete die Frucht des Ueberfalls von Warschau und
den Vortheil der Händel, welche sich Karl selbst bereitet hatte. Während
Stanislaus und August sich um Polen stritten, eroberte Peter Narwa
und Dorpat und ertheilte in Licvland einen Gnadenbrief für alle
Stände, als wenn er des Besitzes der Provinz schon ganz sicher sei.
Das ganze Jahr 1705 hindurch trieb sich Karl in Polen herum,
während sich Peter in den schwedischen Ostsee-Provinzen festsetzte. Durch
einen Sieg bei Wohla ward es übrigens dem Könige von Schweden
möglich, seinen Stanislaus endlich einmal (Sept. 1705) auch in War¬
schau krönen und salben zu lassen.
Im Jahre 1706 tummelte sich Karl in Litthaucn in Sümpfen und
Wäldern herum, ohne vom Februar bis Juli etwas von Bedeutung
auszuführen, außer daß er die Russen aus Kurland vertrieb. Erst als
er sich im Juli vom Thurm einer Jesuitenkirche den Blick über die
unbegrenzten Moräste Wolhyniens verschafft, und vom Vorsteher des
Collegiums genaue Nachricht von der Beschaffenheit des Landes erhalten
hatte, sah er ein, daß es thöricht sei, in diesen Wüsten zu weilen und
eilte nach Polen zurück, um endlich in Sachsen einzndringen. Die
sächsische Regierung in Dresden gab jeden Gedanken der Gegenwehr
auf und leitete sogleich Unterhandlungen ein. Karl drang bis nach
Leipzig; er nahm seinen Aufenthalt erst in Taucha, dann ans einem
Rittergut bei Altranstädt; Stanislaus befand sich in seiner Begleitung.
Die Unterhandlungen waren bald beendigt, da die Forderungen der
Schweden unter den damaligen Umständen Gesetze waren; schon am
24. September war der Friede abgeschlossen. Uebrigens vergaß Karl
im Uebermuthe des Sieges nicht weniger die Pflichten der Menschlich-
keit, als König August und seine Minister; denn Sachsen und Schweden
vereinigten sich zum Verderben des unglücklichen Patkul. Karl bestand