Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

71. Kaiser Karl VI. 
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nichts vorkomme, und sie ihn seinem Schicksal überlassen müßten, wenn 
er um Polens Willen in Krieg gerathe, sammelte Fleury Spanien und 
Sardinien durch die Aussicht auf italienische Beute um seine Fahne, 
und eröffnete im Sommer 1733 den Krieg durch einen lebhaften An¬ 
griff diesseits und jenseits der Alpen. Wohl überwältigten in Polen 
die Russen den König Stanislaus mit reißender Schnelligkeit, aber 
nicht minder unaufhaltsam überschwemmten die Franzosen ganz Loth¬ 
ringen und Bar, und von Straßburg aus den Rhein überschreitend, 
zwang Marschall Berwick Kehl zur Ergebung, in Italien aber nahm 
Marschall Villars Mailand und besetzte in einem Zuge außer Mantua 
die ganze Lombardei, während ein spanisches Heer von Parma und 
Toscana aus den Kirchenstaat durchzog und bis zum Mai 1734 ganz 
Neapel außer Capua und Gaeta eroberte. An keiner Stelle waren die 
Kaiserlichen zum Widerstande gerüstet; es fehlte an Truppen und an 
Generalen, an Vorräthen und an Geld; die Bedrängniß war ungeheuer. 
Eugen wußte, daß die Mittel zum Kampfe höchst ungenügend sein 
würden, aber ohne einen Moment des Zauderns erbot er sich freiwillig 
zur Uebernahme des Oberbefehls am Rhein. Er hielt in einer trefflich 
gewählten Stellung bei Heilbronn den vierfach übermächtigen Feind im 
Schach, zog die allmählich eintreffenden Verstärkungen an sich, und hin¬ 
derte jede weitere Unternehmung der Franzosen. Friedrich der Große, 
welcher damals einige Monate in Eugen's Hauptquartier zubrachtc, er¬ 
klärte später, daß die Ruhe dieses Feldzuges den Prinzen, als dessen 
Schüler er sich zu bekennen stolz sei, nicht weniger ehre als die Schlachten 
irgend eines srühern. Im folgenden Jahre stellten sich die Tinge etwas 
besser: das Heer wuchs mit Inbegriff eines stattlichen russischen Hülfs- 
corps bis aus 130,000 Mann. Eugen konnte die Feinde über den 
Rhein zurückdrängcn und auch auf dem linken Ufer einige Vortheile an 
der Mosel erringen. Aber an die Wiedereroberung Lothringens oder 
Neapels war dennoch nicht zu denken. Im Frühling versuchten die 
Seemächte in Wien eine Friedensunterhandlung zu vermitteln; der 
Kaiser lehnte Anfangs ab und forderte dann Eugen zum Gutachten 
auf. Es ist die letzte größere Staatsschrift, die wir von dem Prinzen 
kennen: sie ist vor Allem merkwürdig durch die nachdrückliche Bezeich¬ 
nung des einzigen Heilmittels, zu welchem der Kaiser greifen müßte, 
wenn er sich nicht mit dem Hause Bourbon nachgiebig versöhnen wolle. 
Eugen findet es in der von München aus begehrten Verheirathung 
Maria Theresia's mit dem baierischen Kurprinzen, und der so zu er¬ 
zielenden Vereinigung Baierns mit Oesterreich. In der That wäre da¬ 
mit eine Ausdehnung der österreichischen Macht auf deutschem Gebiete 
erreicht worden, welche sowohl den Charakter Oesterreichs als der deut¬ 
schen Reichsverfassung vollständig umgewandelt hätte. Oesterreich wäre 
durch eine solche Verstärkung seines deutschen Elementes gründlich gcr- 
manisirt worden. 
Kaiser Karl gab auf Eugen's Erörterung keine Antwort. Wohl 
machte sie einen tiefen Eindruck auf ihn; denn es mußte sehr schlimm
	        
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