Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

74. Maria The re si a's Regierung. 
475 
von selber zu einem Wechsel der Politik. Die schwankenden Stimmun¬ 
gen, die Neigungen zum Abfall, die sich damals in Böhmen kundgaben, 
wurden von Maria Theresia mit der überlieferten habsburgischen Strenge 
dazu benutzt, jeden Versuch provinciellen oder körperschaftlichen Wider¬ 
standes in der Wurzel zu ersticken. 
Auch wo sich solche Anlässe nicht boten, wurden allmählich die alten 
Formen umgestaltet und der Uebergang in ein neues staatliches Dasein 
vorbereitet. Sie verfuhr dabei stets bedächtig, nie in gewaltsamer Hast, 
sie lehnte sich gern an das alte Herkommen an, auch wo sie anfing, 
dasselbe wesentlich umzubilden. Diese frauenhafte Feinheit ihres Thuns, 
mit welcher die stetige Ausdauer eines männlichen Charakters verbunden 
war, hat nicht wenig dazu beigetragen, ihr den Erfolg zu sichern. 
Selbst in Ungarn, wo die mittelalterlichen Formen noch eine zähere 
Lebenskraft zeigten, ward, bei aller Schonung der äußern Zeichen und 
Symbole der alten Freiheit, ein erster glücklicher Schritt gethan, die 
Verschmelzung vorzubereiten. Die Contribntion ward erhöht, das Vcr- 
hältniß der Grundherrn zu den Unterthanen genauer geregelt, das Land 
zu den Militärleistungen mehr herangezogen. Eine Anzahl vornehmer 
Ungarn wurde zu wichtigen Stellen erhoben und auf dem friedlichen 
Wege gesellschaftlicher Annäherung dem deutschen Element mehr Ein¬ 
fluß verschafft, als es jemals in Ungarn besessen hatte. 
Noch war, als sie die Regierung antrat, in einem großen Theile 
der Kronlande eine gewisse Selbständigkeit einzelner Gemeinden und 
Körperschaften erhalten, deren Verwaltung, Polizei und Rechtspflege 
zwar oft wunderlich und verworren, aber doch eingelebt nnd volksthüm- 
lich waren. Nach dem Vorgänge anderer absoluier Staaten ward mm 
überall die mittelalterliche Vielfältigkeit beseitigt, die überlieferte Ver¬ 
waltung und Justiz durch eine einförmige, gelehrt juristische ersetzt. 
Die oberste Verwaltung, bisher lose und ohne Einheit ward durch 
Maria Theresia und ihren Minister, den Grafen Haugwitz, zum ersten 
Male centralisirt. Während es früher besondere Kanzleien nicht nur 
für Italien und Ungarn, sondern auch für Böhmen und für die ober-, 
inner- und vorderösterreichischen Lande gab, wurden diese letzteren jetzt 
vereinigt, für die Rechtspflege eine oberste Justizstelle geschaffen und 
alle andern Geschäfte an das große Directorium in publicis et came- 
ralibus gewiesen, dessen Chef Haugwitz selber war. Nun erst bestand 
eine Central-Regiernng in Oesterreich, von der die Initiative und Ent¬ 
scheidung in allen wichtigen Angelegenheiten ausging. Die neuen 
Provincialgubernien wurden aus den Begabtesten, nicht aus Höchstge- 
bornen zusammengesetzt, die alte aristokratische Verwaltung verschwand, 
und eine neugeschaffene talentvolle Bureaukratie trat an die Stelle. 
Mit diesen bürgerlichen Elementen verbündet, durchbrach die neue cen- 
tralisirende Regierung den Widerstand der Aristokratie, stützte und be¬ 
günstigte die Unterthanen gegen den grnndbesitzenden Adel und half 
die gewichtigste der Umgestaltungen Maria Theresia's durchsetzen: das 
neue Steuerwesen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.