Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

15. Karl's V. auswärtige Kriege. 
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Antonio von Leyva hingegen behauptete: man solle die Ranbthiere in 
ihren Höhlen aufsuchen und ihm sei geweissagt, in Frankreich zu sterben 
und in S. Denis begraben zu werden. Innerhalb seines eigenen 
Landes müsse Franz den Krieg auf eigene Unkosten führen. Obgleich 
Karl dieser Ansicht geneigt war, schien es ihm doch gerathen, die Stim¬ 
mung des Herres zu erforschen, weßhalb er demselben in einer Rede 
die Lage der Dinge auseinander setzte und zuletzt sagte: „wer für den 
Einmarsch in Frankreich ist, erhebe Kriegsgeschrei." Da zeigte sich der 
größte, allgemeinste Beifall. Am 25. Juli 1536, dem Tage des spa¬ 
nischen Schutzheiligen S. Jakob, dem Jahrestage der Eroberung von 
Tunis, betrat das Heer den französischen Boden, welches Zusammen¬ 
treffen bedeutsamer Umstände Karl benutzte, um Alle nochmals durch 
eine zweckmäßige Anrede zu befeuern. Biele Franzosen wollten kühn 
eine Schlacht wagen und die Feinde vertreiben, oder das Leben ver¬ 
lieren; allein frühere Erfahrungen und die Zahl der Gegner schreckte 
so ab, daß die Ansicht des Connetable Montmorency die Oberhand be¬ 
hielt. Mau solle (dies verlangte der ernste, strenge Mann) das Land 
verwüsten, Lebensmittel hinwegbringen oder vernichten, die Einwohner 
entfernen und alle Mannschaft in befestigten Lagern versammeln, welche 
der Feind weder erobern noch umgehen könne. Glücklicherweise hatten 
die Franzosen noch Zeit genug, diesen Plan in einem solchen Umfange 
vollführen zu können, daß das kaiserliche Heer schon auf dem Hinzuge 
nach Marseille in manche Verlegenheit kam. Das menschenleere, 
verwüstete Land bot keine Hülfsquellen; Feigen und Weintrauben, die 
man beim Mangel anderer Lebensmittel aß, erzeugten, gleichwie die 
Hitze des Sommers, böse Krankheiten, bis Karl durch Noth aller Art 
gezwungen wurde, am 10. September die Belagerung Marseilles, mit 
Zurücklassung vieler Waffen und Gepäcks, aufzuheben. Fünf Tage 
nachher starb Antonio de Leyva, zum Theil aus Kummer, daß sein 
Rath so schlechten Erfolg gehabt hatte. Ueberall am Wege lagen 
Kranke, Todte, Gepäck, Waffen, Pferdein grausiger Mischung; 30,000 
Menschen verloren durch den erfolglosen Feldzug ihr Leben, und wenn 
Montmorency jetzt so kühn vorgedrungen wäre, als er vorher verständig 
gezögert hätte, Wenige dürften von dem ganzen Heere Karl's entkommen 
sein, der schwer erkrankt Genua erreichte und Ende November nach 
Spanien segelte. 
Der Feldzug des Jahres 1537 entschied Nichts. Theils deßhalb, 
theils noch aus andern Gründen wurden beide Theile dem Frieden ge¬ 
neigt; der Kaiser nämlich, weil Soliman einen Einfall in das Neapo¬ 
litanische that und bei Essek in Ungarn siegte; der König, weil sein 
Bündniß mit den Ungläubigen die lautesten Vorwürfe erweckte und sich 
ihm, ungeachtet alles Glücks, keine Aussicht eröffnete, die alten Erobe¬ 
rungsplane durchführen zu können. Der 75jährige Papst Paul III. 
begab sich selbst nach Nizza, um durch persönliche Vermittelung einen 
völligen Frieden zu Stande zu bringen. Er konnte aber die ebenfalls 
angelangten Monarchen nicht vermögen, sich zu sehen oder zu sprechen,
	        
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