Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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16. Kriege mit den Türken. 
mit er den „König von Spanien" im Herzen Deutschlands aufsuchen 
wollte, sollte sich dieses Mal nicht an den Bollwerken Wiens, wo man 
ihn zum zweiten Mal erwartete, sondern an den Mauern der kleinen 
Stadt und Feste Günz brechen. In Wien war man schon auf Alles 
gefaßt; 12- 15,000 Mann Kerntruppen bildeten die Besatzung; in 
seiner Nähe, auf dem Tulmerfelde, hatte sich das Reichsheer gesammelt, 
dieses Mal eine stattliche Schaar, welche durch die Hülfstruppen, die 
der Kaiser noch in aller Eile aus Italien, Spanien und den Nieder¬ 
landen hcrbeigezogen hatte, an die 80,000 Mann wohlgerüstet in Reih 
und Glied gehabt haben soll. Es scheint, daß es der Sultan mit 
dieser Macht doch nicht sogleich aufnehmen wollte. Er wandte sich, 
anstatt über Ofen direct auf Wien loszugehen, dieses Mal mit seiner 
Hauptmacht weiter westlich und fand da hinter den Mauern von Günz 
einen ebenbürtigen Gegner. Dieser war Niklas Jurischitsch, welcher 
ihm schon als Unterhändler des Königs gegenüber gestanden hatte. 
Alle Stürme wurden von der schwachen Besatzung, kaum 700 Mann, 
nur schlecht bewaffnet und im Kriegshandwerk nicht geübt, unterstützt 
von den 2000 waffenfähigen Einwohnern glücklich abgeschlagen, alle 
Aufforderungen zur Uebergabe stolz zurückgewiesen. Der letzte Sturm, 
cs war der zwölfte, wurde am 28. August von den Janitscharen unter¬ 
nommen, bald waren die Vertheidiger in einen letzten Berhau zu¬ 
rückgedrängt, schon weheten die türkischen Banner an acht Stellen auf 
der Mauer, da stießen die wehrlosen Flüchtlinge, Weiber, Greise und 
Kinder ein durchdringendes Geschrei der Verzweiflung aus, vermischt 
mit der Anrufung Gottes. Die siegreichen Osmanen erschraken und 
wichen zurück. „Der allmächtige Gott", ruft Jurischitsch aus, „hat 
also: 120 Stücke Geschütz eröffneten ihn; dann folgten 8000 Janitscharen, 
denen man das Vergnügen ansah, das es ihnen machte, gegen die Deutschen 
geführt zu werden; hinter denen trugen Schaaren von Kameclen ein unerme߬ 
liches Gepäck. Hierauf kamen die Sipahi der Pforte, 2000 Pferde stark; 
ihnen war die heilige Fahne anvertraut, der Adler des Propheten, die schon 
bei der Eroberung von Rhodus geweht, mit Edelsteinen und Perlen auf das 
reichste geschmückt. An diese schlossen sich die jungen Knabeii an, die eben als 
ein Tribut der unterworfenen christlichen Bevölkerung ansgehoben worden, und 
an der Pforte ihre Erziehung bekamen; in Goldstoff gekleidet, mit langen 
Locken wie die Frauen, rothe Hüte mit weißen Federbüschen auf dem Kopf, 
alle mit gleichen, auf die Weise von Damascus künstlich gearbeiteten Lanzen. 
Hinter denen ward die Krone des Sultans getragen, die vor Kurzem ein 
Sanuto von S. Canzian Venedig für 120,000 Ducaten nach Constanti- 
nopcl gebracht hatte. Dann erblickte man das unmittelbare Hofgesinde des 
Sultans, 1000 Männer, die schönsten Leute, die man hatte finden können, 
von gigantischer Gestalt; die Einen hatten Jagdhunde an Leitriemen, die An¬ 
dern führten Falken zur Vogelbeize; alle waren mit Bogen bewaffnet. In 
deren Mitte nun ritt Soliman in goldverbrämtem, carmosinem Gewand, mit 
schneeweißem, edelsteinbesetztem Turban; Dolch und Schwert an seiner Seite, 
ans kastanienbraunem Roß. Dem Sultan folgten die vier Wesire, unter 
denen man Ibrahim, der sich obersten Rathgeber des Sultans nannte, Befehls¬ 
haber des ganzen Reichs desselben und aller seiner Sclaven und Barone; 
und diesen dann die übrigen Herren des Hofes nnt ihren Dienern.
	        
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