Full text: Lehrbuch der Geschichte der Völker und Staaten des Alterthums

ben, die zu Sälen mit Flachdächern verbunden sind. Ein 
Muster eines so erweiterten Tempelbaues ist die Pagode von 
Chalambrom, in der Landschaft Tanjore, 4 Meilen südlich 
von Pondichery. Zwei Umfassungsmauern, aus Quadern und 
Backsteinen erbaut, die äußeren ein regelmäßiges längliches 
Viereck, 220 Toisen lang und 160 breit, mit vier prächtigen, 
nach den vier Himmelsgegenden gerichteten Thoren, auf denen 
Pyramiden von 130 Fuß Höhe sich erheben, umschließen den 
innern heiligen Tempelraum, der, außer andern, von Colon- 
naden umgebenen, kleinen Heiligthümern, eine Kapelle enthält, 
die von einer 360 Fuß langen und 260 Fuß breiten, aus 
iooo Säulen, jede zu 30 Fuß Höhe, bestehenden Halle, nach 
Art eines Peristyls, eingeschlossen ist, welche mit dem darauf 
liegenden, aus Steinblöcken gefertigtem, platten Dache einen 
mächtigen Saal bildet. Bildliche Vorstellungen aus der Indi¬ 
schen Theogonie und dem Mahabarat bedecken die Theile des 
ungeheuren Ganzen, das, zu feierlichen Prozessionen bestimmt, 
3000 Braminen zu seinem Dienst hatte. 
§. 
So ungewiß das Alter dieses Musterwerks der Indischen 
Architektur ist, so ergibt sich doch aus der Forin der Anlagen 
und aus ihrem allmahligen Uebergange von dem einfachsten 
Natur-Styl bis zum verzierenden Kunst-Styl, daß sie verschie¬ 
denen Zeitaltern angehören, was auch die Aussagen der Bras 
minen bestätigen, die das Ganze von drei Rajahs erbaut seyn 
lassen. — Und was in Hinsicht des Alters der Erbauung von 
diesen Pagoden gilt, gilt von allen': nämlich, daß sie in 
verschiedenen Zeitaltern errichtet sind, so daß der forschende 
Beschauer und Kenner eine praktische Geschichte des Anfangs 
und Fortschrittes der Indischen Baukunst an und aus ihnen zu 
entwickeln im Stande seyn würde. — So schwierig indeß eine 
vollkommene Lösung dieser Aufgabe seyn möchte, so leicht ist 
es, die einzelnen und allgemeinen Charakterzüge jener 
Architektur aus Vergleichung ihrer Hauptwerke zusammen 
zu stellen. Dieser vergleichenden Ansicht zufolge ging die 
dische Baukunst aus der Pyramiden-Form hervor'-), und 
wie diese, die Pyramiden, so wurden die mit ihnen verbunde¬ 
nen Pilaster den entsprechenden und zum Tragen der Gewölbe 
bestimmten Pfeilern in den Felsengrotten nachgeformt. — In 
Ansehung der übrigen Formation bestanden die Pyramiden- 
*) Oder vielleicht aus der plastischen Nachahmung des heiligen 
Götterberges Meru, welchen die Sage in daö Hochgebirge von 
Kaschmir 'versetzte — so, daß jei>ev ausgehöhlte Bergtempel ein Abbild 
lenes seyn sollte. —
	        
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