Full text: Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg

Erstes Kapitel. 
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Männern der Auftrag zu Theil, die verfallene Kirchendisciplin auf die ur¬ 
sprüngliche Reinheit zurückzuführen. Diesem Geschäfte unterzogen sich für 
Niederfachsen Rembert von Wittenburg und Johann von Nordheim. 
Ueberall fanden sie den lebhaftesten Widerspruch von Seiten der Kloster¬ 
leute, welche sich ihres behaglichen Lebens und der gewohnten Genüsse nicht 
begeben wollten, und es bedurfte der entschiedenen Mitwirkung der weltli¬ 
chen Macht, um die Widerfpanstigen zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Vor¬ 
nehmlich wurde diese Reformation vom Kloster Bursfelde aus betrieben, 
seitdem Johann von Nordheim zum Abte desselben erkoren war. Nur 
durch den Schutz, dessen sich die Verbesserer der Kirchenzucht bei den Her¬ 
zogen Otto Cocles von Göttingen und Otto von Lüneburg zu erfreuen 
hatten, konnte diese in beiden Fürstenthümern Eingang finden. Für die 
calenbergifchen Klöster arbeitete Johann Busch, Abt von Sulta zu Hildes¬ 
heim, unter Mitwirkung von Herzog Wilhelm dem Aeltern. Aber selbst 
des Fürsten Ansehen war nicht ausreichend, die Nonnen von Wennigsen 
und Marienfee zum Gehorsam zu zwingen, es bedurfte mitunter der Auf¬ 
stellung einer bewaffneten Macht gegen die hartnäckigen Schwestern, um sie 
zur treuen Erfüllung ihrer Ordensgelübde zurückzuführen. 
Durch die solchergestalt eingeführte Reformation der Klöster war in¬ 
dessen den gerechten Klagen des Volkes über die Geistlichkeit nur theilweise 
abgeholfen. Der Keim des Verderbens blieb in den gehäuften Reichthü- 
mern und dem nothwendig hieraus sich ergebenden Streben nach Genuß 
und einem unleidlichen Hochmuthe. Die Töchter und nachgebornen Söhne 
des Adels drängten sich in den geistlichen Stand, nicht etwa, um ein abge¬ 
schlossenes Leben in Selbstbeschauung zu führen, sondern um sich einer 
bequemen Geselligkeit zu überlassen. Deßhalb waren die Gotteshäuser über¬ 
füllt mit Brüdern und Schwestern, die sich von dem Schweiße des Land¬ 
manns nährten. Es konnte der Geistlichkeit freilich nicht entgehen, daß ihr 
Ansehn beim Volke geschwächt, ihr Einstuß mächtig untergraben war. Aber 
das einzige Mittel, die verlorne Stellung durch ein kirchliches, wahrhaft 
frommes Leben wiederzugewinnen, erforderte eine Aufopferung ihrer Ergötz- 
lichkeiten, deren sie nicht fähig war. Durch prächtige Processionen und ei¬ 
nen glänzenden Kirchendienst glaubte sie die Gemüther an sich zu fesseln, 
und vergaß, wie sichtbar, trotz des Prunkgewandes, ihre Blöße Jedermann 
vor Augen lag. Kam nun dazu, daß durch die Erfindung der Buchdrucker¬ 
kunst eine frische geistige Richtung das Volk erfaßte, daß mit den erwachten 
Wissenschaften eine richtige Beurtheilung des augenblicklichen Zustandes 
nicht fehlen konnte, und die Verworfenheit einzelner Vorsteher der Christen¬ 
heit überall gerechte Rüge fand, so konnte nicht fehlen, daß ein Zeitpunkt
	        
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