Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

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fern nach Sparta strömten, um sie zu gewinnen. Schon che ihre 
Schönheit sich ganz entwickelt hatte, soll Theseus, als sie eben mit 
ihren Gespielinnen an den schönen Ufern des Eurotas lustwandelte, 
durch ihren Anblick in Wallung gesetzt, sie geraubt haben. Doch ihrer 
Familie zurückgegeben, entfaltete sich mit dem Laufe der Zeit ihr Körper 
mit immer mächtigerem Zauber, so daß der Vater, um dem zu großen 
Andrang abzuwehren, zugleich aber etwas Arges für die Zukunft fürch¬ 
tend und um einer ferneren gewaltigen Entführung vorzubeugen, alle 
Bewerber einen feierlichen Eid schwören ließ, daß sie demjenigen den 
Besitz seiner Tochter sichern wollen, der der Gegenstand ihrer eigenem 
freien Wahl seyn würde. Menelaus trug den Sieg davon, Lacedämöns 
Töchter sangen den Brautgesang und durch diese Verbindung fiel ihm 
auch die Krone zu. 
Doch ein harter Schlag sollte ihn betreffen. Schönheit ist, hat sie 
nicht Sittsamkeit und tiefes Pflichtgefühl im Geleite, eine höchst gefähr¬ 
liche Mitgabe. Auch der blühendste Jüngling vor Allen kam von 
' Asiens Küsten und zündete in Helenens Brust eine unedle Flamme an, 
welche so viel Unheil im Gefolge hatte. Uneingedenk ihres beschwornen 
heiligen Bundes, ließ sie sich durch die Ueberredung des lockenden 
Prinzen, die sich in Blick und Worten aussprach, verleiten, das Band 
zu zerreißen, das sie an ihren Gemahl auf ewig fesseln sollte, und 
seine Abwesenheit auf Kreta benützend, schiffte sie an der Seite des 
frechen Entführers mit ihren Schätzen nach Trojas Mauern, den 
rächenden Zorn der Götter auf sich ladend. Menelaos, so schwer 
beleidigt, wandte sich an die Fürsten Griechenlands, und Agamemnonö 
Ansehen, der seines Bruders Beleidigung wie seine eigene betrachtete, 
bewirkte bald, daß einstimmig Krieg beschlossen wurde (im Jahr 1175). 
Doch wollte man, ehe es so weit kommen sollte, den Weg der 
Güte versuchen. Menelaus, der tief gekränkte, doch der falschen 
Gattin immer noch ergebene Ehegatte, ihre treulose Handlung mit der 
Schwäche des schönen Geschlechts entschuldigend, den weisen, vorsichtigen 
und gleichmüthigen Ulyß (Odysseus) zur Seite, begab sich nach Troja, 
um die Herausgabe der Fürstin zu bewirken: doch vergebens! Sie 
wurden bei Hofe schnöde abgewiesen, und hatten es nur der Freundschaft 
Antenors zu danken, daß sie den sie bedrohenden Gefahren entgiengen. 
Der Krieg wurde förmlich erklärt, alle Fürsten und Häuptlinge zum 
Zuge, der zugleich reiche Beute versprach, eingeladen und der Hafen 
von Aulis zum Sammelplatz der zur Ueberfahrt dienenden Schiffe 
bestimmt. Etwa vier Jahre nach der Entführung Helenens war Alles 
zum Zug gerüstet. Agamemnon, der Angesehenste als König in ArgoliS,
	        
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