Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte oder umständlichere Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte

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Willkühr beliebte. Da erhob sich fast überall Unwillen gegen die Grau¬ 
samkeiten des rauhen Sparta und Mitleid mit der Stadt, die einst 
allein den Griechen allen Freiheit und Dasein gerettet hatte. — Man 
begünstigte jedes Unternehmen der Athener, sich zu befreien; die Drei¬ 
ßig mit ihren Soldaten wurden verjagt; und Sparta mußte es ge¬ 
schehen lassen, daß Athen seine alte Staatsverfaffung wieder annahm 
und sich für frei und unabhängig erklärte. Doch war es entvölkert, 
zerstört und ausgeplündert: und wie eifrig auch die Athener bemüht 
waren, sich wieder emporzuheben, ihr altes Ansehen, ihren alten Ruhm 
erhielten sie nie wieder. 
Während des allgemeinen Elends in Athen unter den dreißig 
Spartanern hofften alle Athener auf Rettung durch Alcibiades; und 
die Dreißig, welche ihn in der That fürchteten, obwohl er ganz ruhig 
auf seinen Schlössern lebte, schickten heimlich Mörder gegen ihn aus. 
Alcibiades nahm seine Zuflucht zu dem persischen Statthalter Klein¬ 
asiens. Dieser nahm ihn gern auf und gab ihm eine einsame Woh¬ 
nung. Doch der Sieger Athens verlangte von dem Perser den Tod 
des Alcibiades. Der Statthalter, feige und niedrig, wie alle Tyran¬ 
nenknechte, dingt Mörder, die ihn des Nachts überfallen sollen. Als 
sie dem Hause nahe kommen, ergreift sie ein Zittern, keiner will zuerst 
hinein. Sie legten Feuer um das Haus. Alcibiades erwacht, wickelt 
sich in seinen Mantel, und mit dem Schwert in der Hand springt er 
durch die Flammen hindurch ins Freie. Die Feigen entfliehen, doch 
aus der Ferne schießen sie mit Pfeilen auf ihn, und er wird getödtet. 
25. 
Sokrates. 
Wenn in einer Stadt, ja in einem ganzen Lande böse Sitten 
herrschen; so erfordert es einen hohen Grad von Festigkeit, gut und 
tugendhaft zu bleiben. Es ist aber keinesweges unmöglich, und nie¬ 
mals fehlt es der Tugend gänzlich an Achtung und Liebe bei anderen 
Menschen. Dies beweist das Leben eines der edelsten und verständig¬ 
sten Männer unter den Griechen, das Leben des Sokrates. Er war 
der Sohn eines Bildhauers und lernte diese Kunst bei seinem Vater; 
versäumte aber auch die kriegerischen Uebungen nicht und, wie wir im 
vorigen Abschnitte gesehen haben, focht er mehremale mit Muth und 
Tapferkeit für seine Vaterstadt. Doch weder die Bildhauerei noch der 
Kriegsdienst waren seiner Neigung angemessen: es war seine liebste 
Beschäftigung, Jünglinge, die ihm durch Schönheit und Anlagen des 
Geistes gefielen, zu unterrichten und zu bilden; und ihnen widmete er 
gern seine Zeit, ohne daß er sich dafür bezahlen ließ. Auch war sein 
Unterricht nicht so förmlicher Unterricht, wie bei uns; sondern er besaß 
eine ganz ausgezeichnete Geschicklichkeit im Fragen, und indem er mit 
Jünglingen in freundschaftlichem Umgänge zusammen war, verstand er 
es, sie durch passende Fragen dahin zu bringen, daß sie in ihren Ant¬ 
worten endlich selbst gestehen mußten, wie viel sie noch nicht wüßten, 
wie vieles sie irrig für wahr hielten, wie sehr sie die Veredlung ihres
	        
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