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deutschen Mannen empor und reißt Alles mit fort, um den Bahnen des
Armin zu folgen. Segest sogar muß sich dem Ungestüm seiner Cherusker
fügen, die auch ihn zum Kampfe gegen Varus zwingen; sein eigener Bruder
Segimer (gewiß nicht identisch mit dem damals vielleicht schon verstorbenen
gleichnamigen Vater Armins) und dessen Sohn Sesithakus schließen sich
voll Enthusiasmus der Sache Armins an. Den einzigen Häuptling aber,
der sich standhaft weigert, gegen Varus zu fechten, den Ampsivarier-Fürsten
Bojocalus läßt Armin in Fesseln legen. Und nun wirft man sich zuerst
aller Orten auf die kleinen vereinzelten römischen Posten, die Varus bisher
im Lande ringsum zerstreut hatte. Bald sind sie alle bis auf den letzten
Mann überwältigt. Nun gilt es, den großen Kampf mit dem Hauptheer
der Legionen zu kämpfen; jetzt, so hoffen die Germanen, auf einem Boden,
wo die überlegene Taktik und Bewaffnung den Römern nicht zu Gute
kommen soll.
Ihre Hoffnung geht bald in Erfüllung. Varus ist, so scheint es,
an jenem ersten Tage noch vollkommen unbelästigt geblieben; nur werden
während der Nacht oder am folgenden Tage seine deutschen Wegweiser
ihm bei passender Gelegenheit entlausen sein. Und nun sieht sich das
römische Heer (nach einer beliebten Rechnung nunmehr am neunten
September d. I. 9 n. Chr.) inmitten unwegsamer Waldungen. Der
Zug geht durch unebenes Land, durch immer wieder von höchst unbequemen
Thalschluchten durchschnittenes Waldgebirge. Die römischen Ingenieure
und die ihnen zugetheilten Truppen sind jeden Augenblick genöthigt, mit
Axt und Grabscheit zu arbeiten. Mächtige Bäume müssen gefällt, das
dichte Unterholz muß gerodet, Laufbrücken müssen geschlagen werden. Und
nun bricht auch ein furchtbares Ungewitter herein. Ein gewaltiger Sturm
saust durch den deutschen Urwald, zerbricht morsche Riesenbäume, schleudert
abgebrochene Aeste auf die Römer nieder. Ströme von Regen aber machen
den Boden ungangbar; Menschen, Thiere und Wagen kommen auf dem
durchweichten Boden nur schrittweise und mit höchster Anstrengung vorwärts.
Da endlich erscheinen zu beiden Seiten der langen römischen Colonne
die lange und sehnsüchtig von Varus erwarteten Germanen; aber bald
müssen die Römer erkennen, daß neben den empörten Elementen jetzt die
wildere Empörung der Menschen dieses Landes über sie hereingebrochen ist.
Anfangs greifen die Germanen nur erst tastend an; aus dem Waldes¬
dickicht fliegen die scharfen deutschen Wurfspieße in die römischen Linien
hinein. Geraume Zeit sieht es noch aus wie eine grobe Neckerei, so daß
Varus noch immer den Römern befehlen mag, die plumpe Unart nicht zu
erwiedern; noch denkt er wohl einen Augenblick, hier walte nur ein grober
Unfug der Barbaren vor, den man durch Drohung mit ernster richterlicher
Ahndung dämpfen könne. Aber bald fällt die letzte Maske; bald werfen
sich schwere deutsche Haufen auf einzelne Glieder der Marschkolonne; mit
großer Schlauheit greifen sie immer an solchen Punkten an, wo die Sol¬
daten mit Scharen des Trosses und der Unbewaffneten gemischt und des¬
halb völlig außer Stande sind, sich schnell und zu wirksamer Gegenwehr
zu sammeln.
In solcher Weise setzte sich der entsetzliche Marsch der Römer stunden¬
lang fort. Endlich erreichten sie einen weiten, hochgelegenen, offenen Platz,
wo sie dann sofort Halt machten, nach hergebrachter Weise ihr Lager
stark verschanzten, und ihre Lage gründlich erwogen. Unleugbar war man
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