2. Liebe deinen Nachsten wie dich selbst! 7
das Brot darauf, das er unterdessen gesammelt hatte, und viele auf gleiche
Weise gesammelte kleine Geldstücke. „Das ist für Euch, arme, kranke
Frau,“ sagte er mit sanftem Lächeln, ging wieder fort und zog leise die
Stubentür zu.
Die Frau war die Witwe eines ehemaligen Unteroffiziers, Namens
Larock. Den Namen des frommen Jünglings aber hat ein Engel im
Himmel für ein andermal aufgeschrieben. Ich kann nicht sagen, wie
er heißt. J. P. Hebel.
Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.
60. Der alte Geiger.
1. DVin armer Geiger wandert durchs Land,
des Hündleins Schnur in zitternder Hand.
Der Geiger ist alt und schwach und blind;
es kennt den Armen ein jedes Kind.
2. Und wenn er vor den Türen geigt,
wird alles traurig und horeht und schweigt.
Und wenn er von seinem Leiden singt,
das Lied in die tiefste Seele dringt:
3. „leh wandle in Nacht schon achtzig Jahr;
mein Leben ein Leben voll Tränen war,
ein Leben voll Angst und Hunger und Not.
O lagi ieh im Grabe; o waär ieh tot!
4. O var' ieh bei dir, Herr Jesu Christ,
wo keine Nacht, keine Trübsal ist!
O lägi ieh im Grabe; o waär ieh tot!
Wer reicht dem Geiger ein Stücklein Brot?“
5. So singt er, mein Kind, und wirst du ihn sehn,
darfst du nicht spottend voruũbergehn!
Leg eine Gabe, freundlich und gut,
dem blinden Geiger in seinen Hut! Joh. Staub.
61. Der Arme und der Reiche.
1. Vorzeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter
den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends müde war
und ihn die Nacht überfiel, ehe er zu einer Herberge kommen konnte.
Nun standen auf dem Wege vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das
eine groß und schön, das andre klein und ärmlich anzusehen. Das
große gehörte einem reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte
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