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wenig erstaunt, daß eS zu weiter nichts sollte berufen gewesen sein.
Der Maire Pethion lobte eS noch insbesondere wegen der „Weis¬
heit und Würde", mit welcher eS dem Könige seine Wünsche über¬
bracht hätte!
Dieser mißlungene Versuch steigerte noch mehr die Wuth der
Jakobiner und vermochte sie zu dem Entschlüsse, durch einen neuen
Aufstand den König entweder zu morden oder wenigstens abzusetzen.
Zu dem Ende hatten sie noch einen Haufen nichtswürdigen Gesin¬
dels auS Marseille und der Umgegend verschrieben, die unter dem
Namen der Föderirten oder Verbündeten am 30. Juli in Paris
eintrafen. Am 10. August brach der Aufstand auS; das Geläute
der Sturmglocke war das Signal zu demselben. Das Gesindel der
Vorstädte mit den Föderirten wälzte sich wieder tobend und lärmend
nach dem königlichen Schlosse hin. Sogleich traten die Schweizer¬
garden in's Gewehr, und nun begann auf dem Schloßplätze ein
mörderischer Kampf. Während deffen eilte Röderer, einer aus dem
Magistrate, zum Könige und rieth ihm, schnell in die Nationalver¬
sammlung zu fliehen, weil sein Leben in Gefahr sei. Die Königin
aber widersetzte sich mit Heftigkeit diesem Rathe. Da wandte sich
Röderer an sie mit den ergreifenden Worten: „Madame, die Augen¬
blicke sind kostbar ; noch eine Minute, noch eine Sekunde, und ich
kann nicht mehr für ihr Leben stehen!" Die Königin entfärbte sich
und sprach sichtbar bewegt: „So sei eS denn; wir wollen auch dieses
letzte Opfer bringen!" Unter den heftigsten Verwünschungen und
Drohungen deS Pöbels, der wiederholt schrie: „Nieder mit dem
Tyrannen! Nieder mit dem Bielftaße, der jährlich 25 Millionen
verschlingt!" langten die erlauchten Flüchtlinge bleich und entstellt
in der Nationalversammlung an. Beim Eintritte sagte der König
mit Würde: „Ich bin hierher gekommen, um Frankreich ein großes
Verbrechen zu ersparen, und ich hoffe, nirgends sicherer zu sein, als
in Ihrer Mitte, meine Herren!" Man empfing ihn kalt und wies
ihn mit seiner Familie nach oben in die Loge des Zeitungsschreibers.
Dort mußte er hören, wie unten die Versammlung über seine Ab¬
setzung berathschlagte.
Der Nationalconvent (1792). —Unterdessen hatte der Pöbel
fast die ganze Schweizergarde niedergemetzelt und stürzte jetzt, das