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Geschichte der neuen Zeit.
zu machen und einen ewigen Frieden zu gründen. Der Plan war seltsam und
unausführbar und gewiß auf die Schwächung Deutschlands und die Vergrößerung
Frankreichs berechnet; aber es sollte dem Könige nicht vergönnt sein, den Anfang
dazu zu machen. — Heinrich hatte mancherlei Feinde, wurde durch diese oft beun¬
ruhigt, und es quälten ihn oft schwermüthige Ahnungen. Einst fuhr er in Be¬
gleitung einiger Großen aus, um seine trüben Gedanken zu zerstreuen. Die Kutsche,
an beiden Seiten offen, kommt an eine enge Gasse, wo sie einiger beladener Wagen
halber, die entgegen kamen, still halten muß. Die Bedienten gehen seitwärts von
der Kutsche ab, die Wagen vorbei zu lassen; einer geht voraus, um Platz zu machen;
die Herren im Wagen kehren ihr Gesicht nach den Pferden. In dem Augenblick
steigt Franz Ravaillac auf das Hinterrad des königlichen Wagens und versetzt
dem König zwei Stiche hintereinander mit solcher Geschwindigkeit, daß keiner der
im Wagen Sitzenden die That eher gewahr ward, als bis sie geschehen war. Auf
des Königs Geschrei: „Mein Gott! ich bin verwundet!" wandten sie sich alle um
und sahen den Mörder noch einen dritten Stich thun, der aber fehl ging, worauf
er vom Wagen sprang, mit dem blutigen Messer in der Hand, starr wie eine Bild¬
säule stehen blieb und sich freiwillig greifen ließ. Der König war in den ersten
Augenblicken verschieden. Bei der Leichenöffnung fand man alle edlen Theile in
so vortrefflichem Zustande, daß die Aerzte erklärten, er würde ohne diesen Zufall
noch 30 Jahre haben leben können. Er starb im 57. Lebensjahre. — Revaillac
gab als Grund seiner That an, daß er den König für einen Tyrannen und Feind
der katholischen Religion gehalten. Zum Tode verurtheilt, litt er die fürchterlichste
Strafe mit großer Standhaftigkeit. Er wurde am ganzen Leibe mit glühenden
Zangen gezwickt, in die dadurch verursachten Wunden ward geschmolzenes Blei
und Schwefel gegossen; dann band man vier schwache Pferde an seine Arme und
Beine, um ihn zu zerreißen; aber diese zogen wohl eine Stunde, ehe sie damit ;n
Stande kommen konnten. Das erbitterte Volk freute sich an dem Anblick dieser
Unmenschlichkeit und übte noch an dem zerstückelten Leichnam seine Wuth aus.
Nach Nösselt, Stacke u. a.
129. Die Königin Ktisaöeth von Kngtand
und Maria Stuart.
Heinrich VIII. von England (1509—1547) war ein leidenschaftlicher,
verschwenderischer und störrischer König, besonders auch eingebildet aus seine
große Gelehrsamkeit. Von seiner Gattin Katharina wollte er fich scheiden
fassen und das Hoffräulein Anna Boleyn zur Gemahlin nehmen. Als
ihm nun aber der Papst die Scheidung verweigerte, ließ er sich ein Univer¬
sitätsgutachten ausstellen, daß seine 'Ehe mit Katharina wegen zu naher
Verwandtschaft ungültig sei, und daraufhin verstieß er sie und heiratete
die Boleyn. Jetzt verhängte der Papst den Bann über ihn. Da ward
er wüthend über denselben und riß sich ohne weiteres sammt seinem König¬
reiche ganz von Rom los. Der König erklärte sich selbst zum Oberhaupte
der englischen Kirche und verfaßte ein eigenes Glaubensbekenntniß. Er
raubte zu seinem schwelgerischen Leben Geld von allen Seiten zusammen,
beging in jeder Hinsicht die größten Willkurlichkeiten und Ungerechtigkeiten
uuo ließ Widersprechende in Schaaren hinrichten. Auch Anna Boleyn, gegen
die er Argwohn der Untreue gefaßt, verlor ihr Haupt, sowie noch^eine
andere von den sechs Gemahlinnen, die er nach einander hatte. Seine
Tyrannei, welche die Engländer geduldig trugen, wuchs von Jahr zu Jahr,
und nach einem wahren Greuelleben starb er (1547).
Elisabeth (1558—1603). Später kam Elisabeth auf den Thron. Sie
war die zweite Tochter Heinrich VIII. und der Anna Boleyn. Elisabeth
hatte große Geistesgaben und eine treffliche Bildung. In ihrer Abge¬
schiedenheit von Kind auf hatte sie sich außer weiblichen Arbeiten und
Musik auch mit den Studien beschäftigt; sie verstand Lateinisch und Grie-