Die Sitten und Einrichtungen der Deutschen rc.
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Frankreich, England, Spanien und Portugal gemischte Völker mit
einer neuen Sprache, worin die alte römische oder lateinische Sprache,
weil sie die ausgebildetste war, vorherrschte. Bei den Sachsen, Thü¬
ringern, Baiern, Alemannen dagegen, und auch in den alten Wohn¬
sitzen der Franken am Rheine, blieb die achte deutsche Sprache, die
wir noch jetzt reden, obgleich sie sich seit tausend Jahren um vieles
geändert hat. Das ist ein großes^ Glück, daß wir sowohl unsern
Stamm als unsere Sprache unverfälscht behalten haben.
Was die Verfassung jener erobernden Völker betrifft, so war
in der anhaltenden Kriegszeit das sogenannte Lehnswesen in seinen
Grundzügcn entstanden, welches bei den Franken schon sehr alt war
und von nun an sich auch über die andern Völker in Deutschland
ausbreitete; bei den Sachsen am spatesten. Wenn nämlich der König
oder Herzog eines Volkes ein fremdes Land erobert hatte, so mußten
die Einwohner einen gewissen Theil des Grundes und Bodens, ein
Drittheil, bisweilen sogar zwei Drittheile, den Siegern abtreten, um
nur das übrige für sich behalten zu dürfen. Jenes wurde nun unter
die erobernden Krieger vertheilt, nachdem zuvor für den König, und
vielleicht auch für allgemeine Zwecke als Staatsgut, ein ansehnlicher
Theil zurückbehalten war. Von dem zu vertheilenden Lande erhielten
die Vornehmen, welche dem Könige vielleicht mit einem Gefolge ge¬
dient hatten, am meisten, die gemeinen Freien weniger. Der König
gewann auch außerdem noch am meisten, indem er nicht nur alle
Privatgüter der römischen Kaiser in der eroberten Provinz, sondern
auch alle ihre Herrscherrechte über die alten Unterthanen, erbte; und
das waren sehr wichtige Rechte. Sein Gut und seine Gewalt
wuchsen außerordentlich.
Dadurch erhielt er ferner die Mittel, immer mehr angesehene
Leute in sein Gefolge zu ziehen und zu Diensten zu verpflichten. Er
gab ihnen von seinen Gütern mehr oder weniger zur Belohnung
hin, aber nur zum Genüsse für Lebenszeit; er lieh ihnen das Gut,
und daher der Name Lehen. Die, welche ein solches von ihm em¬
pfingen, waren seine Vasallen, und mußten ihm zu jedem Kriege,
und wäre es auch nur ein Privatstreit gewesen, treu und gewärtig
seyn. Diese königlichen Dienstleute wurden bald vor Allen geehrt;
sie wurden die Ersten des Reichs, statt daß ehemals nur der ganz
Freie, der in Keines, auch nicht des Fürsten, Dienstbarkeit war, als
der Erste gegolten hatte.
Die vornehmen Dienstleute, die viel Gut besaßen, hielten sich
nun auch wieder Gefolge im Kleinen; ihre Getreuen hießen After¬
vasallen, und leisteten im Gefolge ihres Herrn dem Könige die
Dienstpflicht.
So war schon eine mannigfaltige Stufenfolge des Ansehns und
der Ehre hervorgebracht; die Gleichheit der alten Zeit war verschwun¬
den. Doch hatte der freie Mann noch immer das Recht, keine Gesetze,
die seine Gemeinde betrafen, anzuerkennen, ohne daß sie von ihm
und allen Freien angenommen waren. Was aber allgemeine Reichs¬
angelegenheiten, Krieg und Frieden und dergleichen, betraf, so rath-