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Einst war der Vater zur Messe gereist und hatte die Mädchen
gefragt, was er ihnen mitbringen solle. Da hatte die eine schöͤne
Kleider, die andere Perlen und Edelsteine gewünscht, Aschenbrödel
aber nur ein schönes Haselreis. Diese Wünsche hatte der Vater auch
erfüllt. Die Schwestern putzten und schmückten sich, Aschenbrödel aber
pflanzte das Reis auf das Grab ihrer Mutter und begoß es alle
Tage mit ihren Thränen. Da wuchs das Reis sehr schnell und
wurde ein schönes Bäumlein, und wenn Aschenbrödel auf dem Grabe
ihrer Mutter weinte, so kam allemal ein Vöglein geflogen, das sah
sie mitleidig an.
Da begab sich's, daß der König ein Fest anstellte und dazu alle
Jungfrauen des Landes einladen ließ, denn sein Sohn sollte sich aus
ihnen eine Braut wählen. Und da schmückten sich die Schwestern
überaus reizend, und Aschenbrödel mußte ihnen die Haare kämmen
und schöne Zöpfe flechten, und daß sie auch gern zum Tanze mit—
gehen mochte, das fiel gar niemand ein. Als sie es endlich wagte,
um Erlaubnis zu bitten, ward sie schrecklich ausgelacht, daß sie fich
einfallen ließe, zum Tanze gehen zu wollen, da sie doch kein schönes
Kleid habe und nicht einmal Schuhe. Die böse Stiefmutter nahm
geschwind eine Schüssel voll Linsen, warf diese in die Asche und
sagte: „So, so, Aschenbrödel, mache dir etwas zu thun, lies erst
die Linsen; dann sollst du mitgehen, mußt aber in zwei Stunden
fertig sein.“
Das arme Kind ging in den Garten und rief das Vöglein auf
ihrem Haselnußbaum, und auch die Täubchen, daß sie alle lesen
sollten, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen, und
bald wimmelte es von Tauben und anderen Vögeln; da währte es
gar nicht lange, so war die Schüssel voll Linsen ganz rein Zelesen.
Aber wie das gute Mädchen voller Freude die Linsen brachte, ärgerte
sich die Stiefmutter und schüttete jeßt zwei Schüsseln voll Linsen in
die Asche, und die sollte es nun auch noch in zwei Stunden lesen.
Aschenbrödel weinte, rief aber die Vöglein wieder, und bald war
auch diese Arbeit gethan. Es wurde ihr aber dennoch nicht Wort
gehalten, sondern sie wurde ausgelacht, denn sie habe ja keine Kleider
Schuhe, und wie sie sei, könne sie sich nimmer sehen lassen, auch
müsse der Königssohn und jeder andere einen schlechten Geschmack
haben, der mit ihr tanze, und da gingen jene Stolzen fort und ließen
Aschenbrödel tief betrübt zurück. Sie ging zu ihrem Bämnchen und
weinte bitterlich. Da kam das Vöglein geflogen und rief:
„Mein liebes Kind, o sage mir,
was du wünschest, schenk ich dir!“
Da rief Aschenbrödel, indem sie das Bäumchen anfaßte:
„O, liebes Bäumchen, rüttle dich!
O, liebes Bäumchen, schüttle dich!
Wirf schöne Kleider über mich!“
Jütting und Weber. Die Heimat.
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