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22. Der Traum.
Adam und Eva waren aus dem Paradiese vertrieben worden.
In harter Arbeit sollten sie nun ihr Leben fristen; denn hinter
ihnen stand der Hunger und schwang mit dürren Armen seine
Stachelpeitsche. Adam suchte Beeren und grub mit blutenden
Fingern nach Wurzeln.
Da senkte sich die Sonne zum Untergang und strömte
eine Flut von Gold aus über die fernen, baumbesetzten Hügel
des Paradieses. Die beiden ersten Menschen sahen hin, ihr Herz
war schwer; aber noch sprachen sie kein Wort. Nun ward es
Abend. Bleiche Strahlen zuckten auf wie drohendes Wetter—
leuchten.
„Siehst du das Schwert des Engels blitzen, den der Herr
vor das Tor des Gartens gestellt hat?“ flüsterte Adam. „Ich
fürchte mich, ich fürchte mich vor dem Tod,“ sagte Eva. „Was
ist der Tod?“ Das wußten sie beide nicht; aber sie fühlten es:
etwas Unbekanntes, Unfaßbares war ihnen nahe, ob es nun
herabschwebte aus den Lüften oder ob es wie Nebel aus den
Wiesen stieg; es war bereit sie zu bedecken und zu umfassen.
„Wir werden nie wieder in den Garten hineinkommen,“
sagte Adam, „unser Ohr wird sich nicht mehr erfreuen am Mur—
meln der Quelle, die beim Baum des Lebens entspringt; wir
werden nie mehr die leuchtenden Früchte pflücken, die uns Kraft
und Erquickung verliehen!“ Als er das sagte, füllte sich sein Herz
mit unendlicher Sehnsucht und er breitete seine Arme aus, weit,
weit den zuckenden Strahlen entgegen. Eva aber barg ihr Ge—
sicht in den Händen und schluchzte und weinte; denn sie wußte,
daß durch ihre Schuld das Tor des Paradieses verschlossen war.
„Wir werden niemals all das Herrliche sehen, was im Garten
des Herrn ist,“ wiederholte Adam noch einmal.
Aber ganz allmählich wurden ihre Glieder von einer weichen
Müdigkeit umstrickt, die sie im Paradiese nie gekannt hatten,
weil es dort keinen Kummer und kein Herzeleid gab und auch
keine Arbeit. Eva sagte: „Wie werden mir die Lider so schwer!
Siehe, er ist da, der Tod!“ Es war aber der Engel des Schlafes,
der ihnen das Auge schloß und mit dem Schlaf kam der Traum