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Mittel-Europa
Morästen; den größten Theil des Stromlaufs begleitet dagegen ein schwarzer sehr-
ergiebiger marschähnlicher Boden. Wiesen werden dort sechsmal des Jahrs gemäht.
Und wo vom Po entfernter die Marsch aufhört, da ist der sandige kalkhaltige
Boden mit Schichten vegetabilischer schwarzer Erde so überlagert, daß die Frucht¬
barkeit kaum der im Marschlande nachgibt, und durch Bewässerungskanäle noch
erhöht wird.
Die Sommerglut beginnt im Mai, ist aber weit nicht so groß, als im süd¬
lichen Italien, obwohl stärker und anhaltender als in Deutschland. Kühlender
Wind bläst oft von den Alpen herab. Im Januar und Februar liegt nicht selten
14 Tage laug Schnee; Nachtfröste dauern bis in den April und fangen zuweilen
im November wieder an. Manchmal frieren die Lagunen von Venedig zu.
Darum gibts hier noch keine Pomeranzen- und Citronenhaine; nur an geschützten
Stellen dauern einzelne Bäume dieser Art im Freien aus. Oliven reifen nicht
zu so feinen! Geschmack wie etwa an der genuesischen Küste und im südlichen
Italien. Maulbeerbäume gedeihen zu großer Stärke. Kastanien, Feigen, Man¬
deln und Melonen sind im Ueberflnß. Im Piemontesischen ist noch besonders
eine gute Trüffelart zu Hause, deren es welche von 14 Pfd. gibt. In den unge¬
sunden fenchtheißen Sumpfgegenden wird viel Reis gebaut, außerdem Waizen und
Mais. Der Mais keimt, wächst und reift in 50 Tagen, und wird gewöhnlich
erst hinter dem Winterwaizen her gesäet, so daß man doppelte Erndte macht.
In manchen Gegenden der Ebene, also nicht blos an den Abhängen der Alpen,
lockt die Ueppigkeit der Wiesen und des Kleewnchses zur Viehwirthschast; die
Parmesankäse (die von Lodi besonders) und der Mailänder Strachino sind be-
berühmt. Da man häufig die Schweine mit süßen Kastanien mästet, so bekommen
Wurst und Schinken in Italien eine vorzügliche Güte. Seide ist ein Haupt-
produkt. Der Landmann hält so viel Maulbeerbäume, als er zur Auffütterung
einer gewissen Anzahl Seidenwürmer gebraucht. Die Würmer kriechen nicht auf
den Bäumen herum; er füttert sie in besondern Gemächern seines Hofs. Die
gewonnenen Kokons kocht er und verkauft sie in die Städte, wo sie durch Ma¬
schinen abgehaspelt werden. Die guten Sorten heißen Organsin und Tram; aus
dem Abfall wird Floretseide gesponnen. Die Aecker und Wiesen sind mit Maul¬
beerbäumen eingefaßt. Man benutzt sie nebst den Ulmen zu Trägern des Wein¬
stocks, den der Italiener gewöhnlich in graden Reihen zwischen jene Bäume
pflanzt. Die Rebe rankt an ihnen auf und wird in Guirlanden von einem
Banmgipfel zum andern gezogen; fürs Auge ein reizender Anblick. Nur behan¬
delt man den Wein schlecht, so daß er dem Ausländer häufig widerlich schmeckt
und sich nicht lange hält. Seide trägt viel ein. Eben so gibt man sich wenig
Mühe, die Seide, dies reiche einheiniische Produkt, selbst zu Waaren zu verar¬
beiten; man verkauft sie mehrentheils in betriebsamere Länder.
Der italische Landmann ist nicht Eigenthümer des Bodens, den er bebaut,
er ist nur Maier oder Pächter oder blos Arbeiter; alles Land gehört reichen
und vornehmen Gutsherrn. Als Pacht muß der Bauer die Hälfte der Erndte
in Natura und die Hälfte des Wiesenertrags in Geld zahlen. Dafür läßt ihm
der Gutsherr auch das Vieh zur Benutzung. Solche Pacht ist auf vielen Bauer-