Full text: Kleine Lebensbilder berühmter Männer für den geschichtlichen Unterricht

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flohen und nach längeren Irrfahrten schließlich an der italischen Küste 
in Latinm gelandet. Er hatte darauf die Tochter des Königs Latinus, 
Lavinia, geheiratet, eine neue Stadt, Lavinium, gegründet und als König 
Hierselbst geherrscht. Nach dem Tode des Aineias gründete sein Sohn Aska- 
nius oder Julus, der Sohn seiner ersten Gattin Creusa, die er bei der 
Flucht aus Troja verloren hatte, am Fuße des Albanergebirges die Stadt 
Alba longa, in der er und seine Nachkommen als Könige herrschten. Als 
einer der letzten in der Reihe dieser Könige wird Procas genannt, der zwei 
Söhne hinterließ, den Numitor und den Amulius, von denen der ältere 
ihm in der Regierung folgte. Aber der jüngere Amulius verdrängte 
jenen vom Throne, tötete den Sohn desselben und machte die Tochter Rhea 
Silvia zur Vestaliu. Als solche durfte sie nicht heiraten, und Amnlius 
hatte also nicht zu fürchten, daß ein Sohn von ihr ihn vom Throne stürzen 
werde. Aber es kam ganz anders. Wie erzählt wird, vermählte sich der 
Kriegsgott Mars selbst mit der Rhea Silvia, und diese gebar die Zwil- 
lingssöhne RomuluF und Remus. Hierüber erschrak der Thronräuber und 
verurteilte die Mutter mit ihren Kindern zu einem grausamen Tode. Die 
Mutter ließ er lebendig begraben, die Kinder aber in einem Korbe nach 
dem Tiberflusse bringen, um sie zu ertränken. Weil der Fluß aber aus- 
getreten war, konnten die Diener des Königs nicht zur Strömung des 
Flusses gelangen und setzten den Korb auf das ausgetretene Wasser, daß er 
aus den Wellen hin und hertrieb. Wer hätte wohl gedacht, daß die dort 
schwimmenden Knäblein die Gründer der berühmtesten Stadt der Erde 
sein würden! 
Als das Wasser sank, stand der Korb auf dem Trockenen. Eine dür- 
stende Wölfin lief zum Flusse und hörte das Gewimmer der Kleinen und 
säugte sie. So fand sie Fanstulus, der Oberhirt der königlichen Herden: 
er nahm sie mit nach seiner Hütte und übergab sie seinem Weibe Acca 
Larentia zur Pflege. Hier wuchsen die beiden wunderbar geretteten Knaben 
kräftig heran. Bald weideten sie friedlich die Herden, bald verfolgten sie 
räuberische Menschen und wilde Tiere, die ihren Heerden nachstellten. Da- 
durch wuchs ihnen der Mut, und voll Kampflust fielen sie auch zuweilen 
die Hirten des Numitor an. Diese, der Angriffe müde, fingen endlich den 
Remns und schleppten ihn fort zu ihrem Herrn. Auch Faustulus wurde 
herbeigerufen, und über den Gefangenen befragt, teilte er mit, wie der- 
selbe mit seinem Bruder in sein Haus gekommen sei. Numitor erkannte 
bald in dem Remus seinen Enkel und offenbarte ihm die Gewaltthat des 
Amulius. Voll Freude über ihre hohe Geburt verbanden sich jetzt beide 
Brüder, um die an ihrem Großvater geübte Gewaltthat an Amulius zu 
rächen. Mit einer Schar verwegener Gesellen drangen sie in die Stadt, 
töteten den Amulius und setzten den Numitor wieder auf den Thron.. Zur 
Belohnung dafür erlaubte dieser ihnen an der Stelle, wo sie ausgesetzt und 
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