166. Anfang der Reformation. 35
Er mußte später sich erinnern, wie von dieser Seite her niemals etwas
für Verbesserung der Kirche zu erwarten sei.
2. Den Anlaß zu Luthers Kampf gegen das Papsttum gab ein
Dominikanermönch Tetzel, welcher mit unverschämter Dreistigkeit päpst⸗
liche Ablaßbriefe verkaufte. Der Ablaß war ursprünglich bei weitem
nicht so verwerflich. Nach der in früheren Zeiten eingeführten strengen
Kirchenzucht waren auch äußere Ahndungen bei gewissen Sünden üblich.
Diese äußeren Strafen wurden später häufig in eine Geldbuße verwan—
delt, womit aber keineswegs Reue und Buße für überflüssig oder das
Strafgericht Gottes für abgewendet erklärt werden sollte. Verschwende⸗
rische Päpste brauchten Geld, und so erklärten sie, daß sie als Petri
Nachfolger und als Bewahrer des Himmelsschlüssels durch den unend⸗
lichen Schatz des Todes Christi und der guten Werke der Heiligen in
den Stand gesetzt seien, auch von den göttlichen Strafen der Sünden
für Geld zu befreien. Tetzel hatte eine Taxe für jede Sünde: für
einen Mord 80 Mark, für Vielweiberei 60 Mark; für 0 Pfennig
konnte jede Seele aus dem Fegfeuer erlöst werden. „Wenn das Geld
im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt,“ predigte der
schamlose Mönch. Freilich kostete ihn ein Ablaßbrief, den er für eine
noch zu begehende Sünde erteilt hatte, im Thüringer Walde einmal
seinen ganzen wohlgefüllten Geldkasten.
3. Mit tiefem Schmerz erfüllte Luthers fromme Seele dieses Unwesen.
Luther war ein gewaltiger Prediger, und mit dem ganzen Donner seiner
Beredsamkeit eiferte er gegen diesen Frevel. „Die, welche meinen, durch
Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein, werden samt ihrem Meister
zum Teufel fahren.“ Nach akademischer Sitte schlug er am 31. Oktober
1517 fünfundneunzig Sätze öffentlich an, um in einer Disputation das
Sündliche des Ablasses zu erweisen. In wenigen Wochen durchliefen
diese Sätze ganz Deutschland und wirkten ungeheuer. Luther hatte das
Gefühl von Tausenden ausgesprochen, und begeistert fielen sie ihm zu.
Seine Klosteroberen zitterten vor den Folgen. Er aber sprach: „Liebe
Väter, ist's nicht in Gottes Namen angefangen, so ist es bald gefallen;
ist es aber in seinem Namen angefangen, so lasset denselbigen nur
machen.“ Und dieser Gedanke war sein Trost und seine Stärke, daß
Gott sein Werk wohl schützen werde, wo nicht, daß an ihm nicht viel
verloren sei. Zu diesem kam dann der zweile, daß nur, was in der
Bibel stehe, Gottes Wort sei und er nur aus dieser einzigen Richtschnur
des Glaubens beurteilt und widerlegt werden müsse. An diesem Schilde
prallten auch die schärfsten Pfeile ab.
4. Tetzel wütete gegen Luther und bot mit seinen Zunftgenossen
alles auf, ihn in der öffentlichen Meinung zu vernichten. Luther wurde
selbst nach Rom vorgeladen. Husens Schicksal stand ihm bevor. Aber
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