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181. Der Galeerensklave.
Ein Fürst ging einmal auf ein Galeerenschiff, um die
Gefangenen zu sehen, die auf demselben wegen lree er—
brechen in Ketten geschmiedet arbeiteten. Es jammerte ihn
ihre schwere Strafe, und er nahm sich vor, wenigstens einem
von ihnen die Freibeit zu schenken. Er vwollte aber erst
untersuchen, welcher unter ihnen der würdigste sei. Des-
wegen fragte er einen nach dem andern, warum er hier sei.
Da ging nun das Klagen und Lamentieren an. Jeder sagte,
er &ei eigentlich der ehrlichsteé und unschuldägste Mensch
von der Welt; böse Menschen hbätten ihn bei der Obrigkeit
verleumdet, und so sei er an diesen Ort gekommen. Jeder
bat, der Fürst möge sich seiner erbarmen, und ihm de
HFreiheit schenken.
Endlich kam der Fürst auch zu einem noch ganz jungen
Gefangenen und fragte ibhn: „Was hast du denn gethan, dals
man dich hierher gebracht hat?“ „Gunädiger Herr,“ ant-
wortet er, „ich bin ein gottloser Bube gewesen. Ich bin
meinem Vater und meiner Mutter nicht gefolgt, bin ihnen
davongelaufen, habe ein liederliches Leben geführt, gestoblen
und betrogen; ich mülste ein paar Stunden Zeit haben, wenn
ich alle die bösen Streiche erzählen wollte, die ich mein
Leben lang begangen hbabe. Endlich ist mir mein Becht
geworden, und gern vwill ich meine Strafe leiden, denn ich
Veils, dals ieh sie verdient habe“ — Der Fürst wulste wohl,
dass sie alle ihre Strafeé verdient hatten; aber er sagte
lchelud: „Wie äKommt denn ein so abscheulicher Mensch
unter diese achtbare Gesellschaft? Geschwind nehmt ihm
die Ketten ab und jagt ibhn augenblicklieb binaus, damit er
nicht etwa gar diese ehrlichen Leuté auch noch verführe.“
Sogleich wurde er von seinen RKetten erlöst und in Hreiheit
gesetzt. Caspari
182. Wer weiß, wie nahe mir mein Ende,
hin geht die Zeit, her kommt der Tod; ach wie geschwinde und be—
hende kann bommen meine Todesnot! Das Verslein hatte der
Herzog Magnus von Lüneburg, der mit der silbernen Kette,
nicht bedacht, als er so vermessen schwur. Denn wütend schwur er
hoch und teuer, daß er kommende Nacht auf der Schaumburg, seines
Schwagers, des Grafen Otto Schlosse, schlafen wollte. Und wirk—
lich schien es, als er im Felde gegen seinen Schwager ansprengte,
ihm zu gelingen. Er warf ihn aus dem Sattel. Dann sprang er