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4. Einstmals kamen die beiden Söhne des Königs
zu Wieland und baten ihn, für sie Pfeile zu verfertigen.
„Nicht heute und auch nicht morgen,“ entgegnete Wie¬
land; wollt ihr aber, dafs ich eure Bitte erfülle, so
kehret wieder, wenn Schnee den Boden deckt und naht
euch rückwärts meiner Schmiede.“ Wie nun der erste
Schnee gefallen war, da thaten die Knaben, wie ihnen
Wieland geheifsen, und gingen rückwärts der Schmiede
zu. Kaum aber hatten sie die Schwelle überschritten,,
so erschlug sie Wieland und warf ihre Leichen in eine
tiefe Grube. Die Knaben wurden im Palaste bald ver-
mifst; man suchte sie überall, doch nirgend wurden sie
gefunden. Auch bei Wieland fragten des Königs Boten
an. Dieser sprach: „Sie waren in der Schmiede, sich
Pfeile zu holen; da werden sie wohl auf die Jagd ge¬
gangen sein.“ Die Fufsspuren vor der Schmiede schienen
seine Worte zu bestätigen; darum fiel keinerlei Verdacht
auf ihn. Als aber niemand mehr nach den Knaben
suchte, nahm Wieland die Leichen wieder aus der Grube
heraus, löste das Fleisch von den Knochen und machte
aus den Schädeln zwei mit Gold und Silber eingefafste
Trinkbecher, aus den ändern Knochen schuf er andere
kostbare Geräte und schickte dann alles an den König,
der sich der schönen Arbeit arglos freute. So hatte
sich Wieland gerächt; aber nun sann er darauf, wie er
sich aus der Gewalt des Königs befreien könnte.
5. Er hatte in seiner Heimat noch einen jüngeren
Bruder, namens Eigel, der als Bogenschütze weit
und breit berühmt war. Diesem sandte er Boten, dafs
er zu ihm kommen und ihm zu seiner Befreiung ver¬
helfen möge. So kam Eigel an den Hof des Königs
Nidung, und damit niemand Verdacht schöpfe, trat er