Full text: Bilder aus der Länder- und Völkerkunde, wie auch aus der Physik der Erde

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Benehmens, womit sie sich auf dem Kontinent breit machen, tref¬ 
fend Continental-Engländer genannt hat. Von Reichenau gibt 
es nach allen Seiten Ausflüge zu machen: ins vordere Rhein¬ 
thal, nach Thusis, über den Iulier-Paß nach dem Engadin (dem 
Thale des Inn), über den Septimer nach dem Comersee. 
Zu Wagen in anderthalb Stunden erreicht man dann das 
freundliche Chur (stanz. Coire, romanisch Cuera), welches sich, 
der großen Straße nach Italien folgend, rheinabseits nach der 
Mündung eines rechten Seitenthales gezogen hat, es liegt näm¬ 
lich an der Plessur, eine halbe Stunde vom Rhein. Von dieser 
Hauptstadt des Kantons Graubünden kommt der Ausdruck Chur- 
wälsch oder verdorben Kauderwülsch, weil nämlich hier das 
Deutsche, welches immer mehr Boden gewinnt, mit dem Roma¬ 
nischen (Ladinischen) zusammenstößt, in den Grenzbezirken aber 
bekanntlich immer die Sprache am verdorbensten ist. Wälsch aber 
nennen die germanischen Völker auf ihrer ganzen Grenzlinie ge¬ 
gen die Romanen alles Keltische (Gallische), oder Romanische, 
wie die Ausdrücke wälsche Confinien (d. h. italienische Grenz- 
lünder) in Tyrol, in der Schweiz der Kanton Wallis — wo 
das Deutsche und Französische sich scheiden — in Belgien die 
Wallonen (Vergl. S. 262), in England Cornwallis und 
Wales (stanz. 1s pays de Galles) beweisen. 
Kehren wir nach dieser sprachlichen Abschweifung zum Rhein 
zurück. Schon vor Chur hat er angefangen, den Fuß der Berge, 
die ihn einschließen, mit Geröll zu vergraben und eine Ebene 
im Thal auszufüllen, die sich hier beträchtlich erweitert, so daß 
unsere Blicke zu beiden Seiten über grüne Teppiche streifen, ehe 
sie an dem reichbewachsenen Gebirge hinaufsteigen. Alle Neben¬ 
flüsse des erstarkenden Stromes kommen von Süden, nach wel¬ 
cher Seite sich auch die größten und weitesten Thäler aufschließen. 
In der Ebene herrscht der Maisbau und die Obstbaumzucht. 
Farbe und Glanz des Buschwerks verräth ein milderes Klima, 
die Hügel bedecken sich mit Reben, und vor uns wachsen im 
Abenddunkelblau die phantastisch geformten Felsenkronen des 
Rhätikon auf, nur bis zum Gürtel mit Laub- und Nadelholz 
bewachsen, dann schroff und nackt, mit ausgenagtem Kamm, voll 
Nasen und Zacken. Ihnen gegenüber unter Weingärten und reich¬ 
belaubten Abhängen liegt das freundliche Ragatz am Eingänge 
der Taminaschlucht, die nach dem berühmten Badeorte Pfäffers 
führt. Weitaus gen Norden mögen wir den Lauf des Rheins 
verfolgen, bis dann wieder das Thal vom zarten Grau einer 
kalksteinfarbigen Felswand geschlossen wird. Der Reichthum des 
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