Bevölkerung Amerikas. §. 72.
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2. Die Europäer oder die WeiHen (30 Mill.?) sind
nicht durch ihre Anzahl (*/* der Gesammtbevölkerung), sondern
insbesondere durch ihre überlegene Kriegskunst und Bildung allent¬
halben (mit der einzigen Ausnahme des Negerstaates Haiti) der
herrschende Bestandtheil der Bevölkerung geworden. Die beiden
westlichsten Glieder Europas, die iberische Halbinsel und die briti¬
schen Inseln, welche der neuen Welt am meisten benachbart sind,
haben die Unterwerfung, die Civilisation und die Bekehrung der¬
selben zum Christenthume vorzugsweise übernommen. Daher ist in
Süd- und Mittelamerika das romanische (vorzugsweise das spanische,
in Brasilien das portugiesische), in Nordamerika das germanische
(vorzugsweise das britische, isolirt auch das deutsche) Element durch-
gedrungeu.
Nur in denjenigen Ländern, in welchen schon vor der Eroberung eine
höhere Civilisation vorhanden war, haben sich einheimische Sprachen erhalten
(namentlich die Qnichua-Sprache in den Hochgebirgen vom Aequator bis zum
südlichen Wendekreis, die Sprache der Azteken im Hochlande von Mexiko, die
Cree-Sprache unter den Indianern Nordamerikas).
Dieser nationalen Theilung entspricht auch die kirchliche, indem
in Mittel- und Südamerika die katholische, in Nordamerika die
protestantische Kirche die vorherrschende geworden ist, wiewohl in
Nordamerika die verschiedensten christlichen Confessionen angctroffen
werden; die Religionen der Eingebornen sind durch die europäischen
fast allenthalben verdrängt worden.
3. Die ans Afrika eingeführten Neger und die von ihnen
abstammende, theils ungemischte, theils gemischte (Mulatten) Bevöl¬
kerung (17 Mill., also fast ‘/3 der Gesammtbevölkerung) befindet
sich zum größern Theile (2/3) noch im Zustande der Sclaverei,
nur ‘/3 (namentlich im nördlichen Theile der Vereinigten Staaten,
sowie in Mittelamerika) sind als Freigelassene anzusehen; auf
Haiti haben sie sogar einen selbständigen Staat gegründet. Der
Süden der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die Antillen,
Guyana und Brasilien sind hauptsächlich diejenigen Länder, in
welchen die Sclaverei noch fortbesteht; die geringste Anzahl Neger
findet sich in den ehemals spanischen Ländern.
Durch ihren starken Körperbau vorzugsweise geeignet, in dem heiß-
feuchten Klima auszudauern und den Kampf mit der tropischen Natur
zu hestehen, werden sie seit dreihundert Jahren zum Anbau des Bodens
verwendet. Die Nord- und Südgrenzen des Kaffeebaumes, des Zucker¬
rohrs, der Baumwollenftaude und des Tabaks sind auch die Grenzen der
Sclavereü In den gemäßigten Ländern bearbeiten freie Menschen einen
an europäischen Getreidearten fruchtbaren Boden."
Pütz, Lehrbuch d. vergl. Erdbesch. 4. Slufl.
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