Full text: Geographische Repetitionen

Die Insel Thule. 
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Ansicht? Es mag diese Ueberzeugung dort lebendig und auch nicht 
ohne Folgen gewesen sein. 
Diese Kunde von Grossirland jenseits des Meeres wurde von 
den irischen Missionären auf ihren Wanderungen weiter verbreitet. 
So waltete im 8ten Jahrhundert in Salzburg ein irischer Abt Virgi- 
lius, ein hochgebildeter, frommer und gläubiger Mann, wie die meisten 
dieser celtischen Priester. Sie haben aber Alle nicht so Grosses ge¬ 
schaffen und so Dauerndes errichtet, wie die oft viel ungebildeteren 
angelsächsischen Missionäre, da sie der Zeitströmung entgegentretend 
mit der römischen Kirche sich nicht befreunden konnten. So ist auch 
ein Theil ihres Wissens untergegangen, weil es, der römischen Kirche 
fremd, ihr anrüchig und ketzerisch erschien. Dieser Virgilius z. B. 
erzählte von dem Lande und von den Menschen auf dem andern 
Continente, und Bonifacius, sein steter Gegner, verklagte ihn des¬ 
wegen als Ketzer in seinen Briefen an den Papst. 
Wie eifrig aber in den irischen Klöstern geographische Studien 
getrieben wurden, ersehen wir aus einem uns noch vorliegenden geo¬ 
graphischen Compendium. Es ist von einem irischen Mönche, Namens 
Dicuil, ums Jahr 825 verfasst und ist betitelt: de mensura orbis ter¬ 
rae. So reich das Zeitalter der Carolinger namentlich an theologi¬ 
schen und historischen Werken ist, so arm ist es an Schriften über 
andere Wissenschaften. Für die Geographie ist dies die einzige 
Schrift aus jenem Jahrhundert. Es ist doch merkwürdig, was Alles 
der Mönch benutzt hat; so hat er vor sich gehabt einen Auszug von 
Messungen im römischen Reiche, so hat er Plinius, Solinus, Orosius, 
Isidor von Sevilla, Priscian und die Cosmographie benutzt. Freilich 
liegt das Material wüst und unbearbeitet da; aber die Bausteine sind 
doch vorhanden. 
Wenn wir daraus auch mehr eine literarhistorische als eine geogra¬ 
phische Ausbeute gewinnen, so kommen doch neben und unter die¬ 
sen Excerpten Reiseberichte vor, die er von Zeitgenossen sich hat 
mittheilen lassen. Unter Andern erzählt ihm ein Abt Fidelis, der 
Aegypten zwischen 762 und 765 besucht hat, dass er den Canal 
befahren habe, welcher vom rothen Meere zum Nil führe. Noch 
wichtiger und interessanter aber sind seine Notizen über die nördlich 
von Britannien liegenden Inseln. Von ihnen berichtet er Folgendes, 
zunächst von Thule: „Vor etwa 30 Jahren erzählten mir Geistliche, 
welche von den Kalenden des Februar bis zu denen des August auf 
jener Insel geblieben waren, dass nicht nur allein am Tage des
	        
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