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Frankreich.
Vertrage zu Verdun als Zwischenland zwischen Deutschland und
Frankreich an Lothar I. fiel. Stets hat der Besitz desselben ge¬
wechselt, dort grunzt und mischt sich deutsches und romanisches
Wesen. Man wird nicht irren, wenn man die Sprachgränze von
Trier über Luxemburg, Valenciennes nach Calais zieht. Da Frank¬
reichs Gränze nach Norden hin unbestimmt und durch keine bedeu¬
tenden Terrainabschnitte gesichert und angedeutet ist, so hat nament¬
lich Ludwig XIV. durch seinen ausgezeichneten Ingenieur Vauban
eine dreifache Reihe von Festungen dort angelegt. Der zu Frank¬
reich gehörige Theil jenes Dreieckslandes ist das Herzogthum Lo¬
thringen. In ihm liegen die drei berühmten Bisthümer Metz, Toul
und Verdun. Sie kamen im 16 ten Jahrhundert durch den Reichs-
verrath der Protestanten an Heinrich II. von Frankreich, wie im
30jährigen Kriege das Eisass an Ludwig XIV. Dabei zeigt sich
deutlich der grosse Unterschied im Charakter der Deutschen und
Franzosen. Die Deutschen fanden es ganz natürlich, dass man der
Religion wegen die nationalen Interessen vernachlässige; die Pro¬
testanten haben an die Franzosen und an die Schweden für die
Unterstützung im Religionskriege mit Freuden deutsche Landschaften
geopfert ; wie freuten sich die Märker, als ihr Landesherr bei Witt¬
stock 1636 von den Schweden besiegt wurde, da sie seinen Friedens¬
schluss mit dem Kaiser als einen Verrath an der protestantischen
Sache ansahen. Die Franzosen haben immer mit Entschiedenheit
das missbilligt, dass ein Franzose, und wenn auch von seiner Regie¬
rung noch so verletzt und beleidigt, mit den Feinden seines Volkes
gegen sein Vaterland stritt. Am berühmtesten von den drei Bis-
thümern ist Verdun durch jenen Vertrag vom Jahre 843. Der Name
ist unzweifelhaft deutsch, er erinnert an das berühmte Kloster Verden
und an Virdineberg, Wiirtemberg. Das eigentliche Herzogthum Lo¬
thringen hat zur Hauptstadt Nancy an der Mosel. Das Herzogs¬
geschlecht rühmt sich, von Carl dem Grossen abzustammen, und ein¬
mal ist diese Behauptung doch von grosser Wichtigkeit gewesen. Als
nämlich das Haus Valois seinem Untergange entgegen ging, da
wurde die Frage aufgeworfen, ob die Bourbonen, die Führer der
Hugenotten, als Ketzer die Krone erhalten könnten. Diese Frage
wurde von dem Hause Guise, einem in Frankreich angesiedelten
Nebenzweige der Lothringer, besonders nachdrücklich verneint und
in vielen Flugschriften die Ansicht verbreitet, dass eigentlich die
Krone wohl den Sprösslingen Carls des Grossen zukäme. Wir wissen,