IV. Zur Geschichte.
16. Der Sturm auf die Bastille.
Wilhelm Oncken.
Mit seinen acht gewaltigen Türmen, seinen zehn Fuß dicken Mauern,
seinen Zugbrücken und Fallgattern bot das mächtige Bauwerk der Bastille
einen überaus düstern, bedrohlichen Anblickdar; und was alle Welt wußte
oder zu wissen glaubte von Gefängnisgreueln, die willkürlich Verhaftete
in den Kasematten dieser Zwingburg erlitten, brachte sie mit dem ganzen
alten System, das jetzt überall mehr zerbrach als zerbrochen ward, in
so enge Verbindung, daß der Volkswunsch nur zu begreiflich war, mit
den lettres de cachet auch die Bastille verschwinden zu sehen. Diesen
Volkswunsch, und was sich daraus auch ergab, hat aber die Überlieferung
mit Zutaten ausgestattet, mit Farben ausgemalt, die eine ernste Prüfung
nicht bestehen. Von vornherein ist alles zu streichen, was „die beiden
Freunde der Freiheit“ und die vielen, die, vom Neudruck des „Moniteur“
angefangen, ihre Berichte nachgeschrieben haben, von einer Bedrohung
der Stadt durch die Geschütze und den Kommandanten der Bastille
zu erzählen wissen. Die Bastille war nur noch ein Gefängnis; auf
irgend welchen Kampf, sei es auch nur der Verteidigung, geschweige
denn des Angriffs, war sie nicht eingerichtet. In dem Graben, der die
massiven Mauerwände umgab, floß kein Tropfen Wasser; die 80 Inva⸗
liden, welche die Besatzung bildeten, waren nichts als bewaffnete Kerker—
meister, die wie immer, so auch jetzt genau für einen Tag zu essen
hatten; die Geschütze, von deren auf die beiden Arbeiterviertel drohend
gerichteten Mündungen so viel die Rede ist, hatten durchaus nicht die