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An der Spitze der Gegner stand der Dominikanermönch Michael Rotstein.
Dieser schalt gewaltig in seinen Predigten auf die Neuerungen. Wer
nicht sein Paternoster und seinen Rosenkranz täglich fleißig bete, der werde
ins höllische Feuer kommen, meinte er. Slüters Anhänger verspottete
man mit dem Gesänge:
Hüßken Slüßke un Prachery
geiht to St. Peter in de Predeky,
d. h. Gesindel und Bettelvolk geht zu St. Peter in die Predigt. Aber
gerade durch solche Angriffe wurden die Leute erst zu Slüter Hingetrieben.
Die Kirche war zu eng, und Slüter mußte außerhalb derselben unter freiem
Himmel predigen. Von weither kamen viele und brachten sich gleich
Lebensmittel mit, um auch dem Nachmittagsgottesdienste beiwohnen zu
können. Frauen, denen die Männer den Besuch des Gottesdienstes wehren
wollten, traten ihnen kühn entgegen mit dem Worte, daß man Gott mehr
gehorchen müsse denn den Menschen. Ja selbst der Ratsherr Heinrich
Gerdes schlich in der Morgenfrühe zu Slüters Predigten.
Als nun die Katholischen sahen, daß geistige Waffen nicht vorhanden
waren, Slüter zu überwältigen, so griffen sie zu andern. Der Rat mußte
den katholischen Lehrern verbieten, die verstorbenen Anhänger Slüters mit
den gebräuchlichen Gesängen zu Grabe zu geleiten. Slüter wußte sich
auch hiergegen zu helfen. Er bildete aus Bürgern und Handwerksgesellen
einen evangelischen Kirchenchor. Als somit dieser Plan nichts genützt
hatte, wollte man Slüter gefangen nehmen. Das gelang auch. Er wurde
ergriffen und durch die Schmiedestraße und die Fischbank nach dem Rat¬
hause gebracht. Aber der Lärm des Zuges machte die Bürger aufmerksam.
Sie stürzten aus den Häusern, befreiten ihren Seelsorger und brachten ihn
im Triumph in seine Wohnung zurück, wo sie ihn mehrere Tage be¬
wachten. Da die bisherigen Angriffe gegen den treuen Glaubenszeugen
nichts genützt hatten, so beschloß man, ihn zu vergiften. Die Franzis¬
kanermönche, welche sich zur Ausführung des Planes bereit erklärten,
luden Slüter zu einem Abendessen ein. Er erschien auch zur rechten Zeit.
Um in das Gastzimmer zu gelangen, mußte er an der Küche vorüber.
Hier befand sich gerade nur ein armes Mädchen zur Beaufsichtigung der
Speisen; denn die Köchinnen waren mit den Priestern im Nebenzimmer
und berieten den Mordplan. Als das Mädchen ihn sah, flüsterte es ihm
heimlich zu: „O lewe Herr Joachim, etet jo nich von dissen Brade; denn
dor is Gift in gedan." Unterdes kamen die Mönche aus der Hinter¬
stube und geleiteten den Gast hinein. Slüter aber kam unter einem Vor¬
wände nach Hause und kehrte nicht wieder.
Trotz aller Verfolgungen kam keine Bitterkeit in das Herz des Re¬
formators. In jeder Predigt betete er, Gott möge seinen Feinden ver¬
geben. Er ermahnte auch die Bürger zur Ruhe; denn Gott breite sein
Reich nicht durch Gewalt aus. Vom endlichen Siege des Evangeliums
war er fest überzeugt. Einst rief er in einer Predigt aus: „Ich bin jetzt