fullscreen: Lesebuch für die Oberstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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waren Verräter, die mehr hielten von den Fremden als von den Ihrigen, und denen 
die Bömer Gnadengelder bezahlten. Unter diesen war ein deutscher Fürst, der hieß 
Segestes; der war ein Erzbssewicht gegen sein Cand bis in seinen CTod. Er warme 
Varus noch am Tage vor dem Unglück; der aber glaubte ihm nicht, denn er dachle in 
seinem Herzen: „Dese werden sich nicht rühren, die so bleich werden vor den Beilen 
meiner Knechte.“ Denn so ist es: will Gott das Glück wegwenden, so verwirrt er die 
Batschläge und verblendet die Augen, daß sie nicht sehen, und doch liegt das Verderben 
offen vor ihnen. 
Armin aber hatte seine Völker versammelt, denn er wußte, daß Varus sicher war, 
und hatte ihnen in Wäldern und Sümpfen ihre Stellen angewiesen, wo sie im Hinter— 
halte liegen sollten. Man sagt, daß er selbsi Unruhen entstehen ließ in dem Lande, 
das gegen die See liegt, daß er den Varus, der gegen die Aufrührer zog, begleitete 
den Weg belauschte und dann zu den Seinen Varus aber zog in aller Sicher⸗ 
heit durch einen tiefen Bergwald in dem CLande, wo die Ems der Uppe am nächsten 
fließt; der hieß der Teutobuürger Wald. Varus lagerte in ihm. Als er den nächsten 
Morgen aufbrechen wollte aus seinem Lager, da sah er alle Anhöhen mit feindlichen 
Scharen besetzt und Armin an ihrer Spihen Nirgends war ein Ausweg; denn wo nicht 
Wald war, da war Sumpf. Der Weg, den die Bömer zogen, war eng, und sie drängten 
sich sehr. Die Deutschen warfen ihre Geschosse von oben herab auf die dichten Reihen 
und trafen leicht; die Römer hingegen konnten ihnen, die hinter Bäumen und Steinen 
standen, wenig schaden; auch konnten sie nicht hinaufklimmen, denn es war steil und 
schlüpfrig und regnete fehr. Und der Abend kam, und es ward Nacht, und die Römer 
schlugen ihr Lager auf; es war eine düstere, grauenvolle Nacht. Varus leß viele 
Wagen und Karren und viel Gepäck verbrennen und nahm die Troßbuben, Weiber und 
Kinder in die Mitte; denn es waren ihrer viele mit, und fie waren nicht ausgezogen 
wie zum Kriege. Als es am zweiten Tage licht ward, kamen sie zuerst auf ein leines, 
offenes Feld; dann mußten sie wieder durch Wald ziehen. Der Regen fiel dicht vom 
Himmel heraͤb; es wehte ein gewaltiger Wind, so daß sie ihre Waffen nicht gebrauchen 
konnten und in ihrer schweren Rüstung auf dem schlüpfrigen Wege weder vorwärts 
noch rückwärts gehen konnten. Die Germanen aber freuten sich und riefen: „Siehe, 
das tun unsre Götter, die uns heute an unfern Feinden rächen wollen.“ Sie zogen 
den Römern immer zur Seite im Walde, und es waren ihrer noch mehr als gestern; 
denn auf die Nachricht, Varus sei umzingelt, liefen immer neue Scharen herbei, daß sie 
an dem Siege und der Beute teilhätten. Als sie sahen, daß die Kömer fast ermatteten, 
durchbrachen sie ihre Reihen. Da nun Varus erkannte, daß alles verloren war, stürzte 
er sich voll Verzweiflung in sein Schwert. Nur wenge Bömer emrannen der Rache 
der Deutschen und trugen die Nachricht von der Niederlage zu den römischen Besatzungen 
am BRhein. Armin ader brachte den Göttern große Dankopfer dar, bem denen die Ber 
nehmsten der Gefangenen an den Altären geschlachtet wurden. 
Als die Kunde von der furchtbaren Niederlage nach Rom kam, zerriß der Kaiser 
Augustus wehklagend seine Kleider; man sah ihn wie einen Wahnwitzigen mit dem Kopfe 
gegen die Wand rennen und hörte ihn rufen: „Varus, Varus, gib mr meine Legionen 
wieder!“ Er meinte, die Deutschen würden bald über die Alpen in Italien einbrechen 
und Rom bedrohen. Das waren eitle Sorgen des furchtsamen Greises. Die Deutschen 
blieben ruhig in ihrer Heimat, begnügten sich damit, die Festungen und Straßen der 
Bömer diesseits des Rheines zu zerstören, und waren zufrieden, daß ihr Land bis zu 
diesem Flusse wieder frei war. Nach Ernst Moritz Arndt. 
246. Wettspiele der alten Deutschen. 
Ingo, dec Sohn eines Vandalenkönigs, kommt 357 auf der Flucht vor den Römern, 
gegen die er mit den Alemannen gekämpft hat, an den Hof des Thüringerkönigs Ms. 
wald. Er wird als Gastfreund willkommen geheißen und nimmt an einem Feste teil, 
das drei Tage nach seiner Ankunst veranstaltet wird.) 
Der Zürst stand vor dem Herrenhause und empfing dort die Edlen und 
die freien Bauern, welche auf allen Wegen zu Fuß und Roß heranzogen und 
am gebffneten Tore von Hildebrand, dem Sprecher, begrüßt wurden. Wer zu 
Roß nahte, der stieg dort ab, und die Jungen führten sein Pferd in ein Ge— 
hege und banden es fest, damit die Knechte ihm den Schaum mit Stroh ab— 
rieben und alten Hafer in die Krippe schuͤtteten. Würdig war Gruß und An— 
Lesebuch für die Oberstufe. 26
	        
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