98 Abschi,. 2. Von d. geistig. Cntwickel. d. Menschh. durch äuß. Einflüsse.
jene einzelnen Unglücklichen, von denen unsLinne, Bln-
men dach, Martini u. a. berichten, welche als kleine Kin¬
der verloren gegangen und ohne menschliche Gesellschaft, unter
den Thieren des Waldes, aufgewachsen waren, und wirklich
von dem Einflüsse ihrer Umgebung bis zu gänzlicher Entmen¬
schung überwältigt worden zu seyn schienen, selbst diese hatten
dennoch einen gewissen Grad von Perfektibilität bewahrt. —
Wenn nun hieraus folgt, daß die menschliche Indi-
vidualität selbst nicht in einzelnen, von Kindesbeinen an ge¬
sellig völlig isolirten Exemplaren jemals ganz vernichtet wor¬
den sey, daß gesellig erwachsene Menschen, Stämme und Völ¬
ker um so mehr, selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen,
stets einen gewissen Grad von ächt menschlicher Individna-
lität, ja von Nationalität bewahren: so führt dies die Be¬
trachtung auf ein neues Feld, auf dem zunächst der Einfluß,
den Individualitäten Einzelner wie ganzer Nationen auf ein¬
ander, so wie auf die Totalität ausüben, im Allgemeinen er¬
wogen werden soll. Es ist der Einfluß der Geselligkeit, ohne
welchen menschliche Bildung und Entwickelung nicht gedacht
werden können. —
§♦ 4. Einfluß der geselligen Existenz.
Kein Thier ist bei der Geburt so wenig im Stande, für
sich selbst zu sorgen, als der Mensch. Das kaum dem Eie
cntkrochene Krokodil eilt dem Flusse zu, und die meiste», an¬
deren Thiere verlassen schon nach wenig Tage»,, durch die in¬
stinktmäßige Fähigkeit zu gehen und die ihrer Organisation
entsprechende Nahrung zu suchen und zu erkennen, den hüls-
losen Zustand je»,es rein vegetircnde», Daseyns, welchen,
sich das Kind erst nach vielen Monaten mühsam entwindet,
um sich dann, langsam, im mühevollen, Jahre langen Kampfe
mit der eigenen thierischen Natur, den keins gänzlich zu
Ende führt, an Menschen zum Menschen heranzubilden. Die
Natur selbst hat also ihr edelstes Geschöpf, in feiner ur¬
sprünglichen Hülflosigkcit, mehr als jedes andere, an seines
Gleichen gewiesen, und bei keinem sind die Folgen so fürch¬
terlich, keins entartet auf so entsetzliche, seiner naturgemäßen