Full text: Darstellung der allgemeinen Verhältnisse und Erscheinungen der Völkerkunde (I)

276 Abschn. 3. Von den auf b. Entwickel. d. Menschh. einwirk, inneren Urs. 
und Mittheilungen geschahen und geschehen im Heidenthume 
daher meist nur auf zufällige oder auf gewaltsame, niemals 
auf eine freie Weife. — 
Das Christenthum hat sich dagegen, weil es keine rela¬ 
tive National-, sondern die absolute Welt-Religion ist, nicht 
nur jeder geistigen Richtung des älteren Heidenthums bemäch¬ 
tigt, es hat auch jedem von dort empfangenen Anstoße eine 
höhere Bedeutung gegeben; es hat daher, auf feinem natürlich 
reichen, durch allseitige Befruchtung auch künstlich bereicherten 
Boden, unzählige neue Lebenskeime getrieben, und auf solche 
Weife, ungeachtet feiner Jugend, die uralte Kultur der Hei¬ 
de« überflügelt; — ja das vou einer ganz anderen Basis 
ausgehende Leben christlicher Völker hat nicht blos eine hö¬ 
here, sondern, was wichtiger ist, eine ganz andere, eine mensch¬ 
lichere Gestalt gewonnen, indem es die Pflege der geistigen 
Interessen der Menschheit zu feiuer Aufgabe gemacht hat, — 
und diese Aufgabe ist in ihrer innersten Bedeutung und 
höchsten Auffassung, fo wesentlich als ausschließlich, eine 
christliche. — 
Diese Betrachtung ergibt die Einseitigkeit der allgemein 
verbreiteten Vorstellung eines allmähligen Fortschreitens, 
einer gradativen Entwickelung der Menschheit. Das Chri¬ 
stenthum beweiset dagegen, daß es unleugbar Fortschritte gibt, 
die nur erreicht werden, weil eine ungewöhnliche Kraft plötz¬ 
lich einen Aufflug nimmt, welcher durch den bisherigen Gang 
der Ereignisse gar nicht hinlänglich vorbereitet erscheint, fo 
daß folglich, eben darum, auch jede Möglichkeit der Erklärung, 
der historischen Begründung von selbst aufhört. — Dies leug¬ 
nen, heißt nicht nur die unmittelbare Einwirkung Gottes auf 
die Schicksale der Welt, sondern auch die selbstthätig wir¬ 
kende Kraft des Göttlichen im Menschen bestreiten, heißt nicht 
blos die höhere unmittelbare Offenbarung Gottes in Christo 
verneinen, sondern zugleich aus der Weltgeschichte die Wir¬ 
kungen jeder höheren menschlichen Geisteskraft verbannen, jeder 
Genialität, die sich eben sowohl in Individuen als in gan¬ 
zen Völkern offenbart. 
In Christo liegt jedoch noch ein anderes, höheres, ein
	        
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