278 Absetzn. 3. Von den auf b. Entwickel. d. Menschh. einwirk, inneren Urs.
sung von der Beschränktheit des Irdischen und den Fesseln
der Sünde, deren Druck nur grade die edleren, tieferen Ge¬
müther schmerzlich fühlten. Das Christenthum hat eine Welt¬
verbreitung erlangt, obgleich es gradezu Allem feindlich ent¬
gegentritt, was den Trieben und Sinnen des natürlichen Men-
fchen schmeichelt, und grade darin liegt das Wunderbare, Gött¬
liche feines Wesens, daß dieses „Obgleich" selbst das wesent¬
lichste Motiv seiner Verbreitung geworden ist.— Wenn ir¬
gend ein Erfolg Rückschlüsse auf die Qualität des Prinzips,
aus dem er entsprossen, gestattete, und wenn das Christen¬
thum solcher Beweisführung bedürfte: so müßte auch in sei¬
nem glorreichen Erfolge ein Beweis für die Göttlichkeit fei¬
nes Stifters und feiner Lehren gefunden werden. —
§. 20. Der Islam.
Als eine jener Erscheinungen, welche darthun, daß das
in der Zeit Spätere kcinesweges immer das Vollkommenere
sey, ist die Lehre Muhamed's anzusehen. —
Der Islam kann als ein Versuch betrachtet werden,
die dem nationellen Heidenthume der arabischen, ja der semi¬
tischen Völker überhaupt entgegentretenden Lehren der mosai¬
schen und christlichen Religion zu nationalisiren. — In pa¬
triarchalischer, in nomadischer Ungebundenheit, heißblütig, —
daher unruhig, räuberisch, kriegerisch, — daher voll glühen¬
der Sinnlichkeit, — in der konkreten, positiven Gegenwart einer
gestaltungslosen, formenarmen Natur befangen, von den An¬
sprüchen des äußerlichen Lebens erfüllt, und daher zu phan«
tasiereichen Abstraktionen, zu gedankenvollen Spekulationen
wenig geneigt, — war der Araber, der freie Sohn der Wüste.
Aber diese seine Freiheit, die sich in allen Weltstürmen be¬
wahrt hatte, ist nur eine äußerliche Selbstständigkeit. Wahr¬
haft frei in seinem Geiste konnte Der sich nimmer fühlen,
dessen beschränkte Phantasie ihn an die Gestirne feines wol¬
kenlosen Nachthimmels, als an das Höhere, Überirdische, ver¬
wies, dem fein Leben und Schicksal mit unabänderlicher
Nothwendigkeit anheim gegeben sey, — der selbst in jenen
räthselhaften, von Zeit zu Zeit aus der Atmosphäre zur Erde
fallenden Steinmassen (den Meteorsteinen) einer überirdischen