Kap. 2. Der tatarische oder hoch-astatische Stamm. 431
rohe Völkerreste Jahrhunderte lang zwischen kultivirteren, durch
politischen, gesellschaftlichen und religiösen Einfluß überlegenen
Völkern gewohnt haben, ohne doch in diese gänzlich aufge-
gangen, ohne das alte, rohe Idiom aufgegeben zu haben, selbst
wenn Verachtung und politische Unmündigkeit damit verbunden
waren; es frägt sich wiederum, ob in dem vorliegenden Falle
hinreichende Gründe zu der Annahme vorhanden sind, daß
die Turk- Völker mongolischer Physiognomie einen solchen
Sprachentausch vorgenommen haben. —
Bekanntlich wohnen die Turk-Völker mit kaukasischem
Gepräge neben und zwischen Nationen, die ohne Zweifel der
indisch-europäischen Varietät angehören; bekanntlich haben sie
auch, und zwar nicht blos aus Lüsternheit und religiöser Ver-
biesterung, sondern selbst, wie Ranke besonders lichtvoll nach¬
gewiesen*), aus politischen Rücksichten, die Vermischung mit
dem fremdcil Blute mehr^gesucht, als gescheut; es frägt sich
in dem vorliegenden Falle ebenfalls:
ob erstens die Türken kaukasischen Gepräges dieses letz¬
tere blos der eben erwähnter Vermischmlg verdanken, so daß
die Turk-Völker mit mongolischem Typus alleiu die ursprüng¬
liche normale Stammesform bewahrt haben; — oder
ob zweitens sämmtliche Turk-Völker ursprünglich kau¬
kasischen Stammes gewesen, so daß einige ihren Grund-Ty¬
pus reill bewahrt, während ihn andere durch Vermischung
mit mongolischem Blute eingebüßt haben;
ob drittens die letzteren nicht vielleicht blos darum als
Glieder der Turk-Familie angesehen worden sind, daß sie, — ob¬
gleich ursprünglich rein mongolisch, so im Typus des Leibes
als der Sprache, — ihr mongolisches Idiom mit einem tür¬
tischen vertauscht haben. —
Auf keine dieser Fragen gibt es indeß eine allgemein ent¬
scheidende, jede Einwendung beseitigende Antwort. Wenngleich
wir wissen, daß Turk-Völker mehrfach von mongolisch-tata¬
rischen Fürsten besiegt und beherrscht worden sind, so kann
dies doch ihr mongolisches Gepräge nicht erklären, weil auch
0 Geschichte der Fürsten und Völker re.