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als alle übrigen Körper des Weltalls. Ihrer ungeheuren Übermacht
gehorcht die Erde, indem sie, durch das geheimnisvolle Band der Schwer¬
kraft an die mächtige Herrscherin gefesselt, diese in wunderbar regel¬
mäßiger Bahn umkreist. Ihren Flammen verdanken wir Erdbewohner
Licht und Wärme, Leben und Gedeihen. Der Baum, welcher kraftvoll
emporwächst und fröhlich seine Krone ausbreitet, das Veilchen, das am
Wiesenrande duftet und blüht, der Falter, der seine bunten Schwingen
munter regt — sie alle sind mit ihrem Dasein an das glänzende Tages¬
gestirn geknüpft. Die Sonne ist es, welche die Wolken dem Schoße des
Meeres entsteigen läßt und sie als Segler der Lüfte weit über die Lande
führt, um diese mit Fruchtbarkeit zu segnen: sie redet zu uns in dein
Lüftchen, das durch die Blätter säuselt, und in der tosenden Brandung,
welche das Felsenufer peitscht.
Stets haben denn auch die Geschlechter der Menschen gefühlt, daß die
Erde und alles Erdenleben von der Macht und dem Segen der Sonne
abhängt, und fast alle alten Völker haben mit tiefer Ehrfurcht zu dem
flammenden Ball emporgeblickt. Vielen war er sogar eine erhabene Gott¬
heit, anderen das würdigste Abbild derselben. In den höchsten und feierlichsten
Gesängen haben die Dichter alter und neuer Zeit die Sonne besungen.
Die Sonne verdankt ihre unumschränkte Macht über die Erde und
die Hunderte von Planeten, welche mit dieser sie umkreisen, ihrer unge¬
heuren Masse, welche 300 000 mal bedeutender als die unseres Erdballs
und 700 mal größer als die der Gesamtheit der Planeten ist. Noch
mehr ist die Sonne der Erde an Größe überlegen. Erst 1280000
Erdkugeln kommen ihr an Ausdehnung gleich, ja alle Planetenkugeln
zusammengefügt, würden noch nicht den 560. Teil vom Raume der
Sonne einnehmen. So ist denn das Größenverhältnis der Erde zu
dem der Sonne kaum ein solches, wie das des Käuzchens zu dem hoch¬
ragenden Dome, den es umflattert. Wäre die Sonnenkugel hohl, und
die Erde in ihrem Mittelpunkte, so könnte in diesem Hohlraume der
Mond nicht allein seine Bahn um die Erde vollenden, sondern er bliebe
von dem Sonnenrande fast noch ebenso weit entfernt, als sein Abstand
von der Erde beträgt. Könnte ein Wanderer, der täglich zehn Stunden
zurücklegt, die Erde umreisen, so würde er seinen Weg in 3 Jahren
vollenden, könnte er eine gleiche Reise um die Sonne machen, so brauchte
er mehr als 320 Jahre.
Jahrtausende ans Jahrtausende sendet die Sonne ihre erleuchtenden
und erwärmenden Strahlen in den Weltenraum, ohne daß bis jetzt eine
Verminderung der Kraft ihres Lichts und ihrer Wärme wahrgenommen
wäre. Und 'wie groß ist die Macht und Fülle dessen, was sie an beiden
uns spendet! Gegen den Sonnenstrahl erscheint auch das glühendste
sonstige Licht matt, und ständen auch 600 000 Vollmonde am Himmel,
so würden sie noch nicht die Helligkeit geben, welche die Sonne der Erde
verleiht. Die Wärme, welche die Sonne unserem Weltkörper alljährlich
spendet, würde im Stande sein, eine Eisschicht von 36 w, welche sich
um den Erdball zöge, völlig hinwegzuschmelzen.
Die Sonne ist ein in höchster Gluthitze befindlicher Ball, aus dem
Flammen emporschlagen, welche oft an Höhe die größten Berge der Erde