30 Aus der Geschichte des Erzgebirges.
not leidenden Harzer strömten dem Wunderlande zu, wo die Silberstufen durch
Hallenser Salzfuhrleute in den Gleisen ihrer Wagen gefunden worden waren, und
eine Menge Ansiedelungen, Freiberg voran, entstanden. Durch gewährte Vorrechte
und Freiheiten wuchs die Stadt rasch empor. Überall um sie lichtete sich der
Wald und hundert Jahre nach ihrer Gründung zählte man schon achtzig neu ent¬
standene Dörfer. Landwirtschaft und Viehzucht fingen an durch die raschwachsende
Bevölkerung sich zu lohnen und der große Bedarf an Holz beförderte einen be¬
schleunigten Waldbetrieb. Lange, lange dauerte die Zeit friedlicher Entwickelung;
überall leuchtete das ewigschöne und erquickende Bild aufbauender, frohbewegter
Arbeit und segensreichen Schaffens dem Beschauer entgegen und zwar bis zum
x5ahi6 1426. Als aber vom Jahre 1427 bis 1432 die Hussiten wie eine ver¬
heerende Flutwelle sich aus Böhmen über die meißnischen Gelände ergossen,
vernichteten sechs schreckenvolle Kriegsjahre fast alles das, was in Jahrhunderten
langsam und mühsam in redlicher Arbeit erkämpft und errungen worden war.
Rascher jedoch, als man meinte, vernarbten die Wunden, die der unselige
Krieg dem Lande geschlagen hatte, und die kommenden Friedensjahre ergänzten
bald wieder die entstandenen Lücken in der Bevölkerung. Rasch erhoben sich
wieder die eingeäscherten Städte und Dörfer und von den Halden tönte wieder
hoffnungsfroh das „Glück auf" der Bergknappen; in den Schächten ward es
wieder lebendig, in den Schmelzhütten loheten wieder die Feuer; denn reicher
als zuvor entquoll der Silbersegen der dunklen Tiefe. Gerade nach dem Hussiten¬
kriege entwickelte sich sowohl im Bergbaue, als auch in allen andern Verhältnissen
auf dem Gebirge eine ungewöhnliche, ja fieberhafte Regsamkeit. Wem es seine
Mittel gestatteten, zog schürfend, d.h. Silbergänge suchend, von Ort zu Ort und
tiefer als sonst drang man in die gewaltigen Wälder ein und näherte sich immer
mehr der Kammhöhe des Gebirges. Eine große Reihe neuer Dorf- und Städte-
gründungen war die Folge. Lo entstanden 1458 Altenberg, 1477 Schneeberg,
1490 Glashütte, 1496 Annaberg, 1504 Buchholz, 1516 Joachimsthal (schon vor¬
her als Konradsgrün vorhanden), 1517 das über 1000 in hoch gelegene G ottesg ab,
erst Wintergrün genannt, im selben Jahre Jöhstadt, 1521 Marienberg nebst zahl¬
reichen umliegenden Dörfern, 1522 Scheibenberg, 1526 Unterwiesenthal und 1532
Platten, nachdem an diesen Orten reiche Erzgänge ausgethan worden waren.
Die Kuxe, d. H. die Anteilscheine an den Bergwerken, wurden oft fabelhaft hoch
bezahlt. So stieg z. B. ein Kux der St. Georgsgrube zu Schneeberg, der 1477
mit 8000 Gulden bezahlt worden war, schon 1478 auf 20,000 Gulden und mehr.
Ausgemünzt wurde das Silber zu Freiberg (von 1250 an), zu Zwickau (1470),
zu Annaberg (Engelgroschen, Schreckenberger, 1498), Joachimsthal (Dickgroschen,
Thaler, 1527). Der Reichtum aber wurde nicht, wie man immer meint, Gemein¬
gut aller Bewohner, er blieb in den Händen Einzelner und kam besonders dem
Landesfürsten, der Zehnten und Münzgeld erhob, zu gute. Seit 1478 wurden
besondere (Steuern auf das Bergwesen gelegt. Außer dem Silberbergbau trieb man
auch auf andere Metalle lebhaften Bergbau, so auf Zinn in Ehrenfrieders-
dorf feit 1315, in Altenberg seit 1458, ferner in Marienberg, Eibenstock, Schnee¬
berg n. s. w. Das beste Kupfer lieferte Schneeberg, das beste Blei Freiberg und
Schneeberg, das beste Eisen Raschau, Grünhain, Lauenstein und Berggießhübel.
Die Serpentinbrüche bei Zöblitz spielten schon 1640 eine hervorragende Rolle
durch den verdienten Bergmeister Christoph Jlligen, der diesen Stein schon
damals auf der Drehbank behandelte. Ferner beutete man die Schiefer- und
Kalklager des Gebirges aus, durchsuchte Flüsse und Bäche nach Metallen und
edlen Steinen und kannte die Perlenfchätze der Elster.
Auch in Bezug auf das kirchliche Leben trat im Erzgebirge ein bemerkenswerter
Umschwung ein. Die Lehre Luthers, des Bergmannsfohnes, gewann rascher, als
anderswo, festen Boden unter der Bergmannsbevölkerung. Schädigten auch zunächst
Bauernaufstände und mancherlei Unthaten die reformatorische Bewegung , so wurde sie
doch dadurch nicht aufgehalten; denn mit dem Jahre 1539 war ihr Sieg im
ganzen Erzgebirge bis zur Kammhöhe hinauf entschieden.