Full text: Lehrbuch der Erdbeschreibung

Spanisches Südamerika. Peru. 429 
Die Ancas regierten mifWeisheit und Güte. Selbst ihr Be- 
tragen in und nach einem Kriege gegen die Ueberwundenen bewies, daß 
sie für Väter ihres Volks gehalten ieyn wollten. Auf Gehorsam gegen 
die Gesetze wurde strenge gel-alten: da die Aneas sie gegeben hatten, so 
waren sie ja Gesetze der Gottheit. Bey dem Glauben an ihre höhere Ab¬ 
kunft und der Verehrung, welche das Volk für sie fühlte, wurde es ihnen 
leicht, die Sitten der Peruaner zu veredeln. Merkwürcig war unter an¬ 
dern eine Einrichtung bey der Bestellung der Felder. Die Aecker.der 
Witwen, der Alten, und Kranken, der abwesenden Krieger wurden ge¬ 
meinschaftlich von dazu ernannten Personen aus dem übrigen Volk bear¬ 
beitet, und zwar zuerst; zuletzt kam die Reihe an die Felder des Aura 
und der Sonne. 
So sehr die Peruaner die Europäer in mancher bürgerlichen Ein¬ 
richtung beschämten, so weit standen sie diesen doch in wissenschaftlichen 
Kennrnisien nach. Auch Buchstabenschrift war ihnen fremd. Manche 
Handwerke und Künste hingegen waren in Flor, welches um so mehr 
Bewunderung verdient, da ihre Handwerksgeräthe äußerst unvollkommen 
waren. Die Paläste der Fü ssen waren außerordentlich mit Gold und 
Silber verziert, und man konnte sagen, sie hätten die ganze Natur in 
Gold nachgebildet. Dieses Metall war dort so gemein, wie bey uns das 
Eisen, und wurde den Peruanern bey der unersättlichen Habgier der Eu¬ 
ropäer so verderblich. Millionen wurden ins Mer versenkt, um sie der 
spanischen Raubsucht zu entziehen. 
Doch war dies nutzlos. Nach dem Jahre 1526 erreigte die Regie¬ 
rung der Ancas ihr Ende. Damals landete hier der Spanier Franz 
Pizarro, ein kluger, verwegener, aber schlechter und höchst unwis¬ 
sender Mensch. Nie hat sich stärker die Neberlegenheit europäischer 
Kriegskunst, und man könnte hinzusetzen, der List und Falschheit über die 
Arglosigkeit gezeigt, als in dem Siege einiger hundert auf Beute ausge¬ 
hender Abentheurer über ein Volk, das Hun-erttauftnde von Kriegern 
ins Feld stellen konnte. Pizarros tollkühnes Unternehmen wurde aber 
zugleich auch durch eine damalige Thronssreittgkeit in der Familie der 
Ancas, und zum Theil auch durch den Irrthum der Peruaner erleich¬ 
tert, welche ''i den Fremdlingen, die mit Blitz und Donner bewaffnet 
waren, ächte Söhne der Sonne zu erblicken glaubten. 
Der letzte Anca haîte sein Reich unter seine beiden Söhne getheilt. 
Hwasrar war Bcherscher des eigentlichen Peru, Atahualpa Herr 
von , Quito. Beide lvaren bey Przarros Landung jm Kriege unter sich 
begriffen, als Pizarro landete, und beide suchten den Fremdling, der sich 
klug in ihre Angelegenheit mischte-, durch den Reiz des Goldes, wornach 
ihm nur zu deutlich gelüftete, auf ihre Seite zu ziehen. Huascar 
wurde auf Veranstaltung seines Bruders getödtet. Pizarro führte dage¬ 
gen den überlisteten Atahualpa als Gefangenen mit sich herum, und 
ließ ihn zuletzt hinrichten, und zwar aus besonderer Gnade, weil er sich 
vorher von dem schändlichen Pater Valverde hatte taufen lassen,— 
mit dem Strange. Mit beispielloser Grausamkeit behandelten nun die 
Spanier das gutmüthige Volk, und die großen Schätze des Landes töd- 
teten vollends alles Gefühl der goldgierigen Spanier. ' Durch die grau¬ 
samsten Martern suchte man die Unterdrückten zur Entdeckung verborge, 
uer Reichthümer zu bewegen. Die gefallenen Spanier wurden durch 
rmmer neue Ankömmlinge ersetzt. 
Häufige Streitigkeiten brächen in der Folge unter den eifersüchtigen 
und treulosen spanischen Anführern aus: aber die Peruaner benutzten sie 
nicht, das fremde Joch abzuschütteln. Endlich sandte man aus Spanien
	        
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