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Erster Abschnitt.
terscheidet einen höhern und niedern Adel. Jener umfaßt die Titulados:
Herzöge, Marqueses, Grafen, Viscondes und Barone, welche die Grandes
des Reiches ausmachen, diesen bilden die Fidalgos, von denen sich jedoch
der Bürgerstand politisch nicht mehr unterscheidet. Die Bauern, Päch¬
ter des hohen Adels und der Kirche, leben in abhängigen Verhältnissen. —
Außer dem Theater und den jetzt selten werdenden Stiergefechten gibt es
es keine öffentlichen Vergnügungen. Der Portugiese liebt die Musik. Der
Volksgesang der Portugiesen ist nur einförmig und klagend.
Die Religion des Landes ist die katholische. Sie zählt im Ganzen 19
Diöcesen, darunter drei Erzdiöcesen. Der Erzbischof, Patriarch von Lissabon hat
5 Suffraganbischöfe und die Bischöfe der Colonien, der Erzbischof von
Braga 6 und der Erzbischof von Evora 3 Suffraganbischöfe. Seit 1826
ist durch die Verfassung auch andern christlichen Confessionen und den Juden
die Uebung ihres Cultus gestattet. Seit 1834 sind die Klöster aufgehoben,
deren Gut zur Tilgung der Staatsschuld bestimmt, aber sehr wahrschein¬
lich nicht verwendet wurde.
Das Unterrichts wesen steht im Vergleich zn andern Ländern noch
auf niedriger Stufe, dennoch ist es nicht so schlecht damit bestellt, wie in
manchen Lehrbüchern berichtet wird; denn es befinden sich im Lande eine
besuchte Universität (zu Coimbra), 322 gelehrte und 873 Elementarschu¬
len. Und was die Bildung des Volkes betrifft, so ist dieselbe nicht so man¬
gelhaft, wie von Manchen behauptet wrrd, weil der Portugiese, wie alle Süd¬
länder, eine „schnelle und leichte Auffassung" und eine „außerordentliche
Schärfe des Verstandes" besitzt, mögen auch die Schulen anderswo z. B. in
Norddeutschland, besser bestellt sein*).
Staatsverfaffung. Portugal ist eine in männlicher und weiblicher
Linie erbliche constitutionelle Monarchie. Der König theilt die gesetzgebende
Gewalt mit den Ständen, Kort es genannt.
Eintheilung. Portugal zerfällt in 6 Provinzen, welche an Größe
und Bevölkerung jedoch sehr ungleich sind, nämlich
*) Es ist so ziemlich zur Regel geworden, die Portugiesen, wie die Spa¬
nier und Italiener und alle Südländer als unwissend, träge, abergläubisch und un-
gebildet darzustellen. Das Urtheil ist in vieler Beziehung ein parteiisches und
eben so ungerecht, wie lieblos. Graf A. Raczynsky in einem Werke über Portugal,
M. Willkomm (Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde II- Hst. 4 v. I. 1854) Lamar¬
tine, Alban Stolz und viele andere Reisende, welche selber gesehen, was sie geschil¬
dert, urtheilen ganz anders. Lamartine z. B. schreibt: „Mich hat trotz aller entge¬
gengesetzten Vorurtheile die tiefe, selten getrübte Ruhe der südlichen Physiognomien,
diese Fülle von Frieden, Heiterkeit und Glück, die über alle Gebräuche, über jedes
Antlitz dieses schweigsamen Volkes verbreitet ist, das vor unsern Augen athmet, lebt,
liebt und singt, immer im höchsten Grade angezogen ....