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alles Erwartung, alles Ungeduld. Ein Herold kündigte das Lanzenstechen
an und rief mit lauter Stimme diejenigen bei Namen auf, welehe sich zuerst
gegen einander versuchen sollten. Zuweilen erschien aueh wohl ein Ritter
mit geschlossenem Visier, der unerkannt bleiben wollte bis zu Ende des
Festes. Ein solcher wurde aufgerufen nach seinem Wappenschilde, 2. B.
Lõwenritter, Drachenritter. Doch mulste er zuvor unter dem Siegel der
Verschwiegenheit den Kampfrichtern seinen Namen angegeben haben, damit
kein unritterlicher Mann sich zudränge. Trompeten gaben das Zeichen zum
Angriffe. Und auf ihren Schall tummelten die beiden Gegner ihre Rosse
10 und sprengten mit eingelegter Lanze in vollem Galopp gegen einander los.
Die Spitze stand uber des Pferdes linkes Obhr binaus, das Ende des Schaftes
hielten sie fest unter dem Arme. Mer gut traf und selbst fest im Bügel
sals, warf duren den gewaltigen Stoss seiner Lanze den Gegner entweder
aus dem Sattel, oder er zersplitterte seine Lanze an dem stählernen Brust-
harnische. Beides galt als Sieg. Denn blieb dieé Lanze des Gegners un-
versehrt, so war das ein Zeichen, dass er gar nicht oder doch nur sehblecht
getroffen hatte. Oft aueh vertauschte der Ritter seine gebrochene Lanze
mit einer anderen; mancher brach sogar fünfzig Lanzen an einem Tage.
Nach dem ersten KRämpferpaare wurde das zweite aufgerufen, dann das
dritte, viexte, und so ging es weiter, meist drei Tage, oft aber auch
wochenlang. Manehmal traten die Ritter auch scharenweise gegen ein—
ander auf.
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