Das europäische Rußland.
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tit diesen entfernten Gegenden etwas einsam fühlen, und sich über
sich selbst wundern, daß sie hier sind.
5. Weftrußland.
Das sind die Provinzen, die westlich von den eben beschrie¬
benen, also südlich von Kurland und östlich von Polen liegen.
Den nördlichen Theil derselben, der an Kurland und Preußen
stößt, nannte man sonst Litt hauen, und den südlichen, neben
Gallizien, Wolhynien; der südliche, zwischen Gallizicn und
Kiew, heißt Podolien, und ist seines trefflichen Rindviehes
wegen berühmt. Das Land bietet eine weite, große Fläche dar,
die zum Theil noch mit dichtem Walde bedeckt ist, der, für
Menschen fast undurchdringlich, nur von wilden Thieren bewohnt
wird. In andern Gegenden sind weite Strecken so sumpfig,
daß man in der nassen Jahreszeit weit und breit nichts als
Wasser sieht, und nur auf schmalen Dämmen von einem Ort
zum andern kommen kann. Dennoch ist das Land recht reich
an Getreide. Die Wälder liefern eine Menge Balken, Bretter,
hölzernes Gerath, Theer u. s. w., und die großen Viehherden
Talg, Haute, Borsten u. dergl. Die kleinen litthauischen Pferde
sind bekannt. Den Handel treiben fast bloß die Juden, die sich
hier in alle Städte eingenistelt haben. Es geht nichts über den
Schmutz, die Habgier und Unwissenheit dieser (polnischen) Juden,
die den Landmann ganz in ihrer Gewalt haben, und allen Ge¬
winn, den er von seinem Fleiße haben sollte, gierig an
sich reißen.
Witebsk, an der Düna, treibt lebhaft Handel. Eine der grö߬
ten Städte ist
Wilna, an der Wilia, einem Nebenflüsse des Niemens. Sie
ist ziemlich groß (50,000 Einwohner), die ehemalige Hauptstadt
Litthauens. Im Ganzen ist sie winklig gebaut, doch hat sie auch
einige Pallüste; denn der litthauische Adel pflegt sich im Winter
hier aufzuhalten. Unter den Einwohnern sind 12,000 Juden. Süd-
westlich liegt am Niemen
Grodno, jetzt eine kleine verfallene Stadt, einst groß und an-
sehnlich, sonst der Wohnsitz reicher litthauifcher Familien, deren Pal¬
laste verfallen dastehen. Die Messen von Grodno, die vorzüglich
durch Juden belebt werden, sind recht bedeutend. Beide Städte
liegen in Litthauen. In Wolhynien liegt
Dubno, an der Gränze Gattiziens, eine polnische, d. i. sehr
elend gebaute Stadt, mit engen, krummen, ungepflasterten Straßen,
und mit unbedeutenden hölzernen Häusern. Dennoch ist die ziem¬
lich kleine Stadt berühmt, nämlich durch thue sogenannten Conr
tracte. So heißen die großen Messen, die yier gehalten, und von
fremden Kaufleuten, manchmal an 30,000, stark besucht werden.