DaS europäische Rußland.
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Odessa den stärksten russischen Seehandel auf dem schwarzen
Meere. Sie liegt zwischen den Mündungen des Dnepr und
Dnestr, am schwarzen Meere, am Fuße einer Anhöhe. Neben ihr
steht die Festung. Die Stadt selbst ist ganz offen, sehr schön und
regelmäßig gebaut, mit breiten, zum Theil gepflasterten Straßen,
und überall sieht man die Spuren der Wohlhabenheit. ( Auch sie
ist neu angelegt, nimmt jährlich an Umfang und Schönheit zu,
und hat schon 40,000 Einwohner. Alles, was das südliche Nußr
land nach andern Ländern ausführt, geht über Odessa, besonders
Getreide. Täglich kommen fremde Schisse hier an, und holen die
Waaren ab. Am stärksten ist der Verkehr mit Constanttnopel, aber
eben darum ist auch eine ContumazrAnstalt nöthig, die vorzüglich
schön eingerichtet ist. Der schöne Hafen ist durch Dämme in 5
Theile getheilt.
nur von Früchten und Gemüse, trank nie Wein, u. s. w. Eine harte Ge¬
fangenschaft, in welche er während des Kriegs in Frankreich gerieth, brachte
ihn zu dem Entschluß, sein Leben der Verbesserung des Schicksals der Gefan¬
genen zu widmen. Er baute auf seinem Gute eine Anzahl Häuser, und
überließ sie für billigen Zins ordentlichen Arbeitern, um in seinem Kreise
Arbeitsamkeit und Rechtlichkeit zu befördern. Den meisten Theil sei¬
nes Lebens wandte er zu wiederholten Reisen in den meisten Ländern
Europa's an , besuchte die Gefängnisse, machte auf die Mißbräuche aufmerk¬
sam, und hatte auch die Freude, daß man hier und da seinen Rath befolgte.
Dabei verfuhr er so uneigennützig, daß er einen großen Theil seines Ein¬
kommens und seine Bequemlichkeit seiner menschenfreundlichen Absicht aufo¬
pferte; denn er reiste jährlich mehrere 1000 Meilen und lebte überall sehr
mäßig. Als er nach Petersburg kam, ließ ihm die Kaiserin Katharina II.
sagen, sie würde es gern sehen, wenn er sie besuchen wolle. Er ließ ihr für
diese Güte zwar höflich danken, äußerte aber, er sei gekommen, die Kerker
der Gefangenen, nicht aber die Palläste der Fürsten zu besuchen. In Wien
äußerte er sich freimüthig über den sehr schlechten Zustand der Gefängnisse.
Als er nach dem Tode der Kaiserin Maria Theresia wieder hinkam, und sie
eben so fand, empörte sich sein innerstes Gefühl dagegen. Er hatte darüber
eine Unterredung mit Kaiser Joseph II., der es bekanntlich mit seinen Unter¬
thanen so gut meinte. Als Howard unverholen seinen Abscheu aussprach,
meinte Joseph: „Aber in Ihrem Vaterlande henkt man ja gar die Ver¬
brecher!" _ „Wohl! " antwortete Howard; „der Tod ist einem so gequäl¬
ten Leben, als es die Unglücklichen in Ew. Maj. Gefängnissen führen, gewiß
bei weitem vorzuziehen." Nach einer zweistündigen Unterredung drückte Jo¬
seph dem redlichen Manne wiederholt die Hand, und äußerte am folgenden
Tage gegen den englischen Gesandten: sein Landsmann sei ohne Ceremonien
und Complimente; er schätze ihn aber darum um so höher. Auch gab er
sogleich Befehl, mehrere Mißbräuche abzuschaffen. In Rom wurde Howard
dem Papste Pius VI. vorgestellt; beim Abschiede ertheilte ihm der Papst den
Segen, und setzte lächelnd hinzu: „Ich weiß wohl, Ihr Engländer gebt auf
solche Dinge nicht viel; doch der Segen eines alten Mannes kann ihnen nicht
schaden." Ohne Scheu setzte sich Howard der größten Lebensgefahr aus, in¬
dem er die ungesundesten Kerker besuchte, in welche sich nicht einmal sein
Arzt getraute; er ging in der Türkei selbst in die Pestlazaretbe. Er starb
3790 in Cherson an einem Fieber, welches er sich durch einen Krankenbesuch
über Land an einem kalten regnigen Tage zugezogen hatte. Nahe bei seinem
Grabe ist das des Fürsten Potemkin. Wer war größer? (S. mein Lehrb.
der Weltgesch. 4te Ausg., Th. 3-, S- 349.)
Nösselt s Geographie. 2te Aufl. III. 4