Full text: Der geographische Unterricht

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heiße Eicheln essen, wenn liebliche Früchte winken, oder behaupten, daß 
eine Sandsteppe schöner sei, als ein blühendes Gelände, ein stagnirender 
Canal schöner, als der stürzende Gießbach.x) 
7) Die Verwerthung der vergleichenden Erdkunde im Schulunterrichte 
hat nun aber auch ihre Gegner aufzuweisen, indem gewisse Pädagogen ent- 
weder geradezu der vergleichenden Behandlung des geographischen Materiales 
im Schulunterrichte den Krieg erklärten und im Sinne dieser Proclamation 
ihre geographischen Lehrbücher abfaßten, oder ohne ein solches vorausgeschicktes 
offenes Bekenntniß ihre für den Schulunterricht bestimmten erdkundlichen 
Lehrbücher und Leitfäden doch nach alter Weise mit einer Unmasse politisch- 
statistischer Notizen anfüllten, das physische Moment darin vernachlässigten 
und den natürlichen Zusammenhang der geographischen Objekte und dereu 
Wechselwirkung ganz und gar ignorirten —- gerade so, als weuu ein Karl 
Ritter und Alexander v. Humboldt gar nicht gelebt habe, und als wenn die 
mahnende Stimme der großen Geographen und Methodiker aus der Ritter'- 
scheu Schule ganz erfolglos in der pädagogischen Welt verhallt sei. Noch 
neuerdings finden sich in einer „Erdbeschreibung und Staatenkunde" die 
Worte vor: „Die politische Geographie bildet den wichtigsten (?) Zweig der 
Geographie im Allgemeinen, da diese ohne sie nicht nur alles Reizes er- 
mangeln (?), sondern auch insbesondere die physische Geographie durchaus 
keine festen AnHaltepunkte (?) haben würde". Muß man sich nicht wundern 
ob solcher Auslassungen? Heißt das nicht das Wesen der Erdkunde ganz 
und gar verkennen, da sich doch die Sache gerade umgekehrt verhält? Nicht 
die politische Geographie bietet der physischen die festen AnHaltepunkte dar 
— sondern, gerade im Gegentheil, in der physischen Geographie liegen die 
festen AnHaltepunkte für die politische. 
Woraus erklärt sich aber diese Feindseligkeit gegen die vergleichende 
Behandlung der Geographie? „Und was hatte man denn überhaupt an 
dieser Methode auszusetzen? Die Schule sollte durch dieselbe nicht viel ge- 
Wonnen haben. Der Schüler, meinte man, hätte von den verschiedenen 
Ländern und Völkern der Erde viel weniger erfahren, als durch die einfache 
ältere Lehrweise. Da wisse er zwar Rechenschaft zu geben von der vertikalen 
und horizontalen Formation Asien's und Asrika's, wisse von den Randgebir- 
gen des Caplaudes, sei aber nicht im Stande, die deutschen Bundesstaaten 
aufzuzählen. Wie mit solchen Ausstellungen die Ritter'sche Methode in ihrer 
Anwendung auf Schulen getroffen wird, bleibt schwer zu begreifen. Daß 
die Schulgeographeu iu einer Zeit, als eine wissenschaftliche Kunde von der 
physischen Geographie Asien's und Asrika's gewonnen wurde, den Neuerwerb 
iu ausgedehnterer Weise, als es angemessen war, auf die Schule übertrugen, 
ist ebenso erklärlich, wie manche ähnliche Erscheinung auf dem Gebiet der 
Geschichte. Wurde doch z. B., wie erinnerlich, nach dem Erscheinen von 
Droysen's Geschichte des Hellenismus hier und dort auf deu Anstalten die 
Geschichte der Diadochen in einer Gründlichkeit und Ausdehnung behandelt, 
daß viel näher liegende Anforderungen dabei zu kurz kommen mußten. Kanu 
der vergleichenden Methode schuld gegebeu werden, was in Folge des Reizes 
der Neuheit geschah? Die Einsicht in das nothwendig zu Erlernende hat in- 
zwischen diesen uud ähnlichen Ausschreitungen ein Ziel gesetzt; auch Hinsicht- 
lich der Geographie ist mehr und mehr die Wichtigkeit erkannt, dem Schüler 
1) Daniel, Lehrb. d. Geogr. 1, 28. 29.
	        
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